Decrowning-wie genau?

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Barisat
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Re: Decrowning-wie genau?

Beitrag von Barisat » 25.01.2016, 01:05

Hallo Allerseits, hallo Snake-Jo

Ich wollte ja noch ein Foto von den Stirnseiten meiner Haselstämme einstellen. Leider war das Wochenende sehr durchwachsen, so das ich keine Zeit gefunden habe, mich damit zu befassen, wie das hier geht. Kommt aber noch. Ich hab die Stämme schon alle mit Ponal Classic versiegelt. Die Rinde habe ich übrigens drauf gelassen, damit es noch was langsamer geht. ;) Ich werde aber extra zum Zwecke des Einstellens von Bildern zur Informationsgewinnung ne dünne Scheibe von den Stämmen abschneiden und das ganze dann fotografieren.

Beim Lesen der Posts von Benedikt und Killerkarpfen fiel mir auf, das die beiden unterschiedliche Vorgehensweisen beim Decrowning beschreiben.
Der Benedikt schreibt, das man beim Decrowning vom Griff zu den Tips aufsteigend arbeitet, da sich dann die Jahrringe gegenseitig halten. Das klingt auch logisch, wenn man bedenkt, wie sich der Bogen biegt.
Der Killerkarpfen hingegen schreibt, das die Linien der Jahrringe parallel verlaufen. So hat es der Adamusminor/Selfbower ja auch in seinem Video gemacht, wenn ich das nicht völlig falsch beobachtet habe.
Auch merkte der Killerkarpfen an, das die Jahrringe auf der Darstellung im Wiki durchtrennt sind. Das entspricht ja dann der Beschreibung des Decrownings, wie Benedikt sie geschrieben hat.
Hmmm, ich glaube, da haben wir zwei konträre Beschreibungen der Vorgehensweise beim Decrownen. Oder habe ich da beim Lesen was falsch verstanden...? Fragen über Fragen...

@Snake-Jo
Ja, war ein Tippfehler...

Rundumgruß

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Selfbower
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Re: Decrowning-wie genau?

Beitrag von Selfbower » 26.01.2016, 15:02

Du hast Recht Barisit ;) hier wurden tatsächlich zwei unterschiedliche Vorgehensweisen beim decrownen vorgestellt.

Methode I (von Benedikt eingeworfenund im Wiki aufgeführt):


Diese Methode schneidet den Rücken des Wurfarms vom Bogenende beginnend Richtung Bogengriff schräg an. Dabei nimmt zum Griff hin die Holzdicke ab. Das bedeutet, dass man vom Wurfarmende Richtung Griff arbeiten muss, denn man kann nur in einer Richtung schräg zur Faser arbeiten und das ist eben schräg nach unten und nicht schräg nach oben.
Der Grund warum man schräg arbeiten soll ist die spätere Wurfarmgestaltung (nämlich auf dem Schaubild hier vollpyramidial, also lineare seitliche Verjüngung des Wurfarms vom Griff bis zum Tip hin - verdeutlicht durch die eingezeichneten roten Linien). Bei solchem Decrowning und pyramidialem Wurfarm umschließt so der äußerste Jahresring des Stammes bis zum Tip hin die anderen Jahresringe. Auf dem Bogenrücken sind dennoch Flammen zu sehen. Anders ist diese Art Decrowning nicht zu realisieren. Hier nochmal das dazugehörige Bild:

Decrowning 3.jpg


Mit dieser Vorgehensweise beim Decrowning soll verhindert werden, dass die bei voll oder auch semipyramidialer Wurfarmgestaltung seitlich auslaufenden Jahresringe, die bei normalem Decrowning (alles platt machen) aufträten, zum Bogenbruch führen. Das entsprechende Bild dazu:

Decrowning 4.jpg


Problematisch hierbei ist, dass das zweite dazugehörige Bild meiner Meinung nach nicht korrekt gezeichnet ist.

Decrowning 2.jpg


Hier wird sowohl die Seiten- aber auch die Draufsicht gezeigt. Die Seitenansicht kann aber schlecht mit der Draufsicht übereinstimmen, da die Jahresringe ja schräg angeschnitten wurden. Die Holzfasern laufen alle in Richtung Bogengriff aus. Die Seitenansicht hier suggeriert hingegen, dass die Fasern des Bogenrückens über die gesamte Länge parallel verlaufen. Tatsächlich liegen sie aber schräg im Wurfarm.

Methode II (von mir vertreten):
Methode zwei bleibt der Holzfaser über die gesamte Länge des Wurfarmes treu. Es treten keine Flammen auf dem Bogenrücken auf. Die Holzfaser am Bogenrücken befindet sich im Griffbereich und am Wurfarmende auf der gleichen Ebene. Dafür nimmt man in Kauf, dass bei seitlicher Holzabnahme zuerst der äußerste Jahresring, danach möglicherweise auch noch weitere Jahresringe aus dem Wurfarm seitlich auslaufen. Bildlich dargestellt hier:

Decrowning 4.jpg


Wenn ich nun ein Decrowning vornehme, dann halte ich mich lieber an die zweite Methode, weil ich es generell für schädlicher halte, wenn Holzfasern schräg angeschnitten unter Zug stehen. Seitlich auslaufende Fasern sind zwar ebenfalls nicht das Optimum, aber genau genommen laufen die Fasern auch bei einem sich seitlich verjüngendem Wurfarm mit intakten Jahresring an den Seiten aus. Ich halte die Scherkräfte, die auf die seitlich auslaufenden Jahresringe wirken für weniger tragisch, als die Zugkräfte, die auf den Bogenrücken wirken. Daher wähle ich immer die zweite Methode und eine intakte Faser am Bogenrücken = Keine Flammen.

Ich kann mir dennoch folgendes vorstellen: Anstatt über die gesamte Länge nach Methode I zu decrownen könnte ich mir vorstellen, zumindest bei semipyramidialem Design, nur auf der Länge des sich seitlich verjüngenden Teils nach Methode I zu decrownen und den Rest des seitlich parallel laufenden Wurfarmes nach Methode II zu decrownen. So ist es wahrscheinlich hier auch gemeint. Denn der Wurfarm verjüngt sich deutlich erst nach der Hälfte der Wurfarmlänge.

Decrowning 2.jpg


Zug-, Druckbereich und neutrale Faser:

Zum Thema der unterschiedlichen Belastungen einzelner Holzschichten im Bogenrücken, wie Druckbereich, Neutrale Faser und Zugbereich, wiederspreche ich allerdings killerkarpfen erstmal.
Bei einem Zugstarken Holz mit Rückenwölbung wird der Bogenbauch natürlich wie bei jedem anderen Holz zusammen gedrückt. Der Bogenrücken hingegen wird auseinander gezogen. Ein Bogen gleichen Holzes mit abgeflachtem Rücken hat auf der obersten Holzschicht nun aber noch mehr Holzfasern, die die Zugkräfte aufnehmen können, zur verfügung als bei höherer Rückenwölbung. Das Resultat ist also, dass ein Bogenbauch bei Zugstarkem Holz und decrowntem Rücken stärker gestaucht wird, als bei nicht decrowntem. Genau dieses Prinzip ist ja auch Grundlage beim Trapping. Bei Zugstarken aber nicht drucktoleranten Hölzern wird seitlich schräg Holz weggenommen, um den Bogenrücken zu be- und den Bogenbauch zu entlasten.

Also zugstark < nicht drucktolerant

Wenn die Sache anders herum ausschaut und man Holz mit hoher Drucktoleranz und geringer Zugstärke hat, dann wird eben der Bogenrücken mit mehr Holzfasern gesegnet und dem Bogenbauch durch weniger Holzfasern mehr abverlangt.

Also Zugschwach > drucktolerant

Die Zeichen > und < stehen nicht für größer/kleiner im eigentlichen Sinne, sondern nur zur Verdeutlichung, welche Seite des
Bogens breiter, bzw. schmaler gestaltet wird.


Zur neutralen Faser
Nehmen wir an, die neutrale Faser liegt normalen Stämmchen Haselnuss vielleicht erstmal nahe der Mitte. (Ich gehe davon aus, dass Hasel zugstark ist, aber die Kohäsionskräfte im Holz nicht allzu groß, weswegen die Holzfasern leicht aneinander vorbei rutschen) Wird nun der Bogenrücken abgeflacht, dann wird die Anzahl der Faser, die Zugräfte aufnehmen größer. Die neutrale Faser verschiebt sich in Richtung Bogenrücken. Denn dieser wird jetzt pro cm weniger gedehnt, als das bei nicht decrowntem Holz der Fall ist. Läge die neutrale Faser direkt am Rücken, würde dieser gar nicht auseinander gezogen und der Bogenbauch maximal belastet. Anders herum würde bei neutraler Faser am Bogenbauch der Rücken maximal belastet, sprich gedehnt.
Ein Decrowning führt demnach zur Belastung des Bogenbauchs und zur Entlastung des Rückens.
Insgesamt bin ich, wie schon erläutert, davon überzeugt, dass Hasel kein Decrowning nötig hat und allgemein zugstark genug ist, auch bei geringerem Durchmesser die Zugkräfte adäquat aufzunehmen. Wenn man den Bogenbauch im späteren Verlauf des Bogenbaus entlasten will, würde ich das Trapping empfehlen. Meist ist das Trapping allerdings ja schon von Natur her durch den gewölbten Rücken gegeben.

LG. Daniel

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Re: Decrowning-wie genau?

Beitrag von Onkel Tom » 26.01.2016, 17:37

Hallo Daniel,
tja, mit deinem Decrowning hast du dir ja was schönes eingebrockt ;)

Aber bei einer Sache, die ich anders sehe, muß ich mal nachfragen:
"Wenn ich nun ein Decrowning vornehme, dann halte ich mich lieber an die zweite Methode, weil ich es generell für schädlicher halte, wenn Holzfasern schräg angeschnitten unter Zug stehen. Seitlich auslaufende Fasern sind zwar ebenfalls nicht das Optimum, aber genau genommen laufen die Fasern auch bei einem sich seitlich verjüngendem Wurfarm mit intakten Jahresring an den Seiten aus. Ich halte die Scherkräfte, die auf die seitlich auslaufenden Jahresringe wirken für weniger tragisch, als die Zugkräfte, die auf den Bogenrücken wirken. Daher wähle ich immer die zweite Methode und eine intakte Faser am Bogenrücken = Keine Flammen."
Bist du sicher, dass die seitlich auslaufenden Fasern (Breitentaper) bei komplettem und intaktem Jahresring als Rücken wirklich abheben können, wenn nicht getrappt wird? Sie werden doch vom Rückenring zusammengehalten und stehen seitlich unter diesem nicht hervor.
Deine Methode 2 wäre mMn dann die, die im wiki als falsch bezeichnet wird, wenn ich das richtig verstanden habe.

LG Onkel Tom
Kaum macht man es richtig, schon funktioniert es.

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Re: Decrowning-wie genau?

Beitrag von Barisat » 26.01.2016, 20:01

Hallo Allerseits

Na DA habe ich ja ne ordentliche Lawine ausgelöst! :D Ich finde die Diskussion aber echt toll, da sie sehr informativ ist. Den letzten Beitrag von Daniel/Selfbower muss ich aber wohl mehrere male durchlesen. Da steckt, wie in den tollen Videos auch, ne ganze Menge Information drin. Das muss man als Anfänger erst mal gekaut kriegen. Ist aber auch gut so. Je mehr man weiß um so besser, denn Wissen macht ja bekanntlich Aah.
Ich finde auch, das das Bild im Wiki, das der Daniel ansprach falsch, zumindest aber verwirrend dargestellt ist. Das hat nämlich auch zu meiner Verunsicherung geführt.
Der Bogen, den ich bauen will, soll ein vollpyramidaler Bogen werden, da ich mich irgendwie in diese Form verliebt habe. Ich fand die schon immer cool.

Ich bin seeehr gespannt darauf, wie das hier weiter geht und was die anderen Profis noch für Sachen dazu beitragen werden.

Rundumgruß

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killerkarpfen
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Re: Decrowning-wie genau?

Beitrag von killerkarpfen » 26.01.2016, 20:31

Hi Selfbower Daniel

Sehr gut erklärt.
Mein Decrowning habe ich zugegeben einfach intuitiv mit dem Wissen des durchgehenden Jahresrings gemacht. Wie bereits geschrieben habe ich auf eine durchgehende und parallele Faser geschaut. Von der ersten Methode aus dem Wiki weiss ich erst seit dem Post von Benedikt. Hingegen bin ich gegenüber dieser Version auch recht skeptisch, muss auch da eingestehen, Deine Argumente bzw. Erläuterungen sind einleuchtend. Man hat nie ausgelernt.

Zu meiner Version kann ich nur sagen der Bogen schiesst seit mehreren Jahren.

Das Argument in Bezug auf die Entlastung des Bauches so wie Du es beschreibst lasse ich selbstverständlich gelten. Ich meinte auch nicht generell, dass ein runder Rücken den Bogenbauch mehr komprimiert. Vor allem wird der Rücken gedehnt.

Um aber auf eine entsprechende Stärke eines Bogens zu kommen kann man mit der Dicke, oder eben mit der Breite arbeiten. Hier kommt der schöne Spruch "doppelte Dicke achtfache Stärke, doppelte Breite doppelte Stärke" zum Zug.
Bei einem dünneren Stave mit hoher Wölbung wird man bald einmal an die Grenzen der möglichen Breite stossen sonst wird der Wurfarm viel zu dick. Genau da bietet sich für mich ein Decrowning an.

Abschliessend stehe ich auch dazu eher ein Freund von flachen Bögen zu sein. Ich finde ein gutes Verhältnis von Breite zu Dicke belastet das Holz allgemein weniger was auch weniger Set des eingeschossenen Bogens zur Folge hat.
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Re: Decrowning-wie genau?

Beitrag von Heidjer » 26.01.2016, 20:40

Ich vermeide ein Decrowning ja, wie der Teufel das Weihwasser und wenn der Bogenrücken garnichts taugt, dann wird er halt Plattgehobelt und es kommt ein Backing drauf. ;)

Man kann ein Decrowning ja nach beiden Arten machen, es wird aber immer auslaufende Holzfasern geben. Entweder auf dem Bogenrücken oder aber genau an der Seitenkante.
Bei einen normalen Bogen laufen an der Seitenkante zwar auch immer die Holzfasern aus, aber gegenüber einen decrownten Bogen ist dort die "Kante" nie der höchste Punkt des Wurfarmes mit der größten Zugbelastung.

Die Methode die im Wiki favorisiert wird, erscheint mir geeigneter für Zerstreutporige Hölzer zu sein, wo der Faserzusammenhalt zwischen den Jahrringen sehr gut ist. Die Methode mit dem Flachmachen entlang des Faserverlaufes scheint mir besser bei Ringporigen Hölzern zu sein, da muß man dann wie bei einen Bretterbogen mit stehenden Ringen, die Kanten gut abrunden, damit sich dort nicht ein Span abhebt.


Gruß Dirk
Ein Pfeil, den Schaft gemacht aus der Pflanzen hölzern Teil, versehen mit eines Vogels Federn und einer Spitze, aus der Erde Mineral, wird von der Natur gern zurückgenommen.

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Re: Decrowning-wie genau?

Beitrag von Ravenheart » 02.02.2016, 14:49

Selfbower hat geschrieben:Problematisch hierbei ist, dass das zweite dazugehörige Bild meiner Meinung nach nicht korrekt gezeichnet ist.


Du willst wohl auf die Knabberleiste? >:( ;D ;D ;D

Nee, Daniel, das Bild ist korrekt! (Ich hab den Urheber gefragt...) ;)

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Re: Decrowning-wie genau?

Beitrag von Squid (✝) » 02.02.2016, 16:08

Gnihihihihihihihihi!!!
Es ist mir egal ob schon mal jemand sowas gebaut hat.
Ich will ja nicht unken, aber in der überwiegenden Zahl der Fälle geht das schief.

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Re: Decrowning-wie genau?

Beitrag von AlexM » 09.02.2016, 13:17

Ich glaube Daniel ist dem Internet und jedem Bogenanfänger nun ein kurzes Video schuldig mit vielen Bilder und ganz langsam sprechen und erklären :).

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