Ein Paar Fragen zum Bau eines Wikingerbogens

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Fichtenelch78
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Ein Paar Fragen zum Bau eines Wikingerbogens

Beitrag von Fichtenelch78 » 14.03.2014, 17:50

Hallo alle zusammen. Nach langen hin und her und einigen laminierten Bögen muss/darf ich jetzt auch mal einen Selfbow bauen. ;)
Ein Freund hat sich einen "Wikingerbogen" von mir gewünscht. Sein Auszug sind 28 Zoll und als Basis habe ich hier einen 1.95 meter langen schicken Hollerstave. (nachmal danke an Jens).

Stand bis jetzt: ich hab mit der Ziehklinge den Jahresring freigelegt den ich am brauchbarsten fand. Da die orginalen Wikingerbögen solche seltsamen "Keulen" an den Tips habe würde ich das Zuggewicht jenseits der 60 Pfund anpeilen um einigermassen Pfeilgeschwindigkeiten zu erreichen. Vom Profil her würde ich ein D-Profil nehmen und auf Grund der Länge den Griffbereich steif lassen. Vom Tiller her würde ich versuchen nen "elliptischen"-Tiller zu machen. Leider ist etwa 20 cm vor unteren Sehnenkerbe genau mittig ein durchgehender Ast. Diesen Bereich würde ich steif lassen.

Passen meine Gedankengänge soweit oder habe ich irgendeinen Denkfehler drin? Gibt es noch irgendwas beim bau eines "Wikingerbogens" zu beachten?

Danke schonmal im Vorraus!
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Ravenheart
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Re: Ein Paar Fragen zum Bau eines Wikingerbogens

Beitrag von Ravenheart » 14.03.2014, 18:27

1. Die "Keulen" nicht übertreiben. Die schmalste Stelle ist der Bereich der Sehnenkerbe, dahinter werden sie wieder einen TICK breiter, nicht oder max. minimal dicker, und 2 mm je Seite mehr am Ende genügen völlig. Auch die Länge ist mit 5 - 5,5 cm ab Sehnenkerbe ausreichend.

2. Die Keulen gehören nach innen (Bauchseite) leicht angewinkelt. Biege das Holz NACH dem Herstellen von Dicke und Breite, aber VOR dem Einschneiden der Sehnenkerbe! Auch da nicht übertreiben, sh. Bild unten!

3. Mache an der unteren Sehnenkerbe einen Bogenbauerknoten, oben ein Sehnenöhrchen. Und wenn die Sehne drauf ist, setze da, wo sich das Öhrchen im entspannten Zustand befindet, den Nagel (der verhindern soll, dass das Öhrchen weiter runter rutscht, denn:

4. bedenke, dass das Öhrchen so weit sein muss, dass es noch über das Keulenende geht.

5. Die Sehnenkerben gehören klassischer Weise einseitig, an beiden Enden gegengleich, dafür aber einen Tick tiefer als üblich (Sehnendicke + 1 mm). Bedenke bei der Formgebung der Kerben, dass sich das Öhrchen diagonal drehen will, und zwar etwa 30° - 45° zur Seite GEGENÜBER der Sehnenkerbe. Die Kerbe muss dafür am Bauch weit genug "rum" gehen!

P5071833_klein.jpg
(ja, es ist unscharf, aber ich war's nicht und hab leider kein besseres!)

Die Wicklung ist nur bei Eibe wirklich erforderlich, aber sie schadet auch bei Holler nicht... ;)

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Re: Ein Paar Fragen zum Bau eines Wikingerbogens

Beitrag von Squid (✝) » 14.03.2014, 18:32

Teilweise sind die Infos falsch, weil sie unreflektiert in Kursen etc. weitergegeben werden oder es einfach zu wenig Fundstücke gibt. Hier ist ein Originalfund - eher elliptischer Querschnitt, keine "Trompeten"

http://www.fletchers-corner.de/download/file.php?id=53486&mode=view

Für den "elbigen Trompetentyp" würde ich allerdings auch das entsprechend runde Profil verwenden und außerdem den Griff mitbiegen lasssen. Sieht einfach natürlicher aus.

Gegeben hats den auch:
http://i149.photobucket.com/albums/s67/jb-68/hedebybowabb1.jpg

Ansonsten is alles OK.
Frage bei dem Ast: Warum steif lassen? Ist links und rechts nicht mehr genügend Material da, um ihn zu umgehen und den Bereich dennoch etwas biegsam zu halten?
Denn sonst hast du zumindest auf einer Seite einen reichlich langen steifen Endbereich von über 20 cm. Tut ja nicht Not...
Es ist mir egal ob schon mal jemand sowas gebaut hat.
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Re: Ein Paar Fragen zum Bau eines Wikingerbogens

Beitrag von Fichtenelch78 » 14.03.2014, 18:42

Ahha..ok..das mit Trompeten ist mir jetzt klar. Wusste aber nicht das ich die wirklich so klein machen kann. (am liebsten hätte ich sie ganz weggelassen :P ) Das beruhigt mich.:) Das die Trompeten Richtung Bauch geklinkt sind war mir auch neu. Ich werd das auf jeden Fall berücksichtigen. Kann ich zum Biegen die HLP nehmen oder besser dämpfen? Ich vermute mal beim dämpfen wird sich das Holz verfärben,oder?

..5 cm lange "Trompeten"..da hab ich doch vorhin beim anzeichen gaaar nicht so schlecht gelegen! :D
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Re: Ein Paar Fragen zum Bau eines Wikingerbogens

Beitrag von Wilfrid (✝) » 14.03.2014, 19:01

Die Trompeten kannste ruhig vergessen, guckste Dir die Funde an, gibts eigentlich nur einen mit einer Trompete am oberen Ende.
Ansonsten sind die Teile so gebogen , das auf Standhöhe das ganze einen Kreisbogenstück ergibt
Sinn und Zweck des ganzen ,mMn, ist, den Handschock eines symmetrischen Stabbogens durch unterschiedliche Wichtung auf 0 zu bringen. Diese kleinen Stückchen überstehenden Holzes zwingen nämlich den Wa unterschiedliche Schwingungen der x ten Oberschwingung auf. Also oben einen Hauch mehr Holz als unten, Druckpunkt Mitte Bogen (gleich lange WA), und trotzdem ist der obere einen winzigen Moment langsamer als der untere.
Dann darf bei Holunder Dein Bogen nicht dicker in der Mitte als 28 mm werden...

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Re: Ein Paar Fragen zum Bau eines Wikingerbogens

Beitrag von Ravenheart » 14.03.2014, 19:10

Hmmmnnnnjjjjeeeiiinn...

Ihr müsst 2 Dinge unterscheiden:

1. Archäologisch Korrektheit
2. Image und Klischee

Das BILD, das viele - gerade in der "Wiki-Szene"- haben, IST das Bild von dem Bogen mit den Keulen! Und da ist es WURSCHT, wie oft und genau das belegt ist, viele, die einen Wikibogen wollen, WOLLEN DAS SO, weil es ihrem BILD (und dem anderer) entspricht.

WILL der "Kunde" hier wirklich "nur" einen historisch korrekten Bogen, der SO in der Wikizeit gewesen sein könnte, oder WILL er sein Klischee bedienen (und das Anderer)?

Ich TIPPE auf letzteres, und dann sind die Keulen PFLICHT!
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Re: Ein Paar Fragen zum Bau eines Wikingerbogens

Beitrag von Fichtenelch78 » 14.03.2014, 19:36

Jab..Rabe da geb ich dir vollkommen recht. Mein Kumpel will eben einen Wikibogen. :-/ Ich hätte am liebsten auch die Trompeten weggelassen...aber jeder soll seinen Willen haben. Zumindest konnte ich Ihm den biegenden Griff ausreden. Das mag ich persönlich nämlich nicht und bei der Länge des Staves und 28 Zoll Auszug sollte das auch mit steifen Griff machbar sein.
Ich werd dann morgen versuchen den Holler mit der HLP zu biegen. Mal gucken ob das klappt. :)
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Re: Ein Paar Fragen zum Bau eines Wikingerbogens

Beitrag von Squid (✝) » 14.03.2014, 19:38

Sorg' aber an den Biegestellen dafür, dass der Bogen da breiter ist als hoch. Sonst gehen die zur Seite weg.

EDIT: Ach jaaaa, es ist ja eine Klischee-Auftragsarbeit... ;) ;) ;)
Zuletzt geändert von Squid (✝) am 15.03.2014, 20:36, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ein Paar Fragen zum Bau eines Wikingerbogens

Beitrag von Wilfrid (✝) » 14.03.2014, 19:43

Nimm Dampf, Holunder mag keine trockene Hitze !! Und dann tut Euch nen Gefallen, mach das Dingen nicht länger als Schütze + Handbreit. Sonst wirds kein Bogen der schießt. Der schwabbelt dann nur noch. Also Eigentlich sind 185 cm so das richtige Maß. Da kommste auf ne wirksame Länge von 175, was bei 28" Auszug dann nen werfenden Bogen gibt.

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Re: Ein Paar Fragen zum Bau eines Wikingerbogens

Beitrag von Victor_Eremita » 14.03.2014, 21:46

@ Fichtenelch: Wenn du es "richtig" machen möchtest, dann verzichte auf die untere Sehnenkerbe. Dort wird die Sehne lediglich mit mehreren Schlingen festgeknotet.

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Re: Ein Paar Fragen zum Bau eines Wikingerbogens

Beitrag von Ravenheart » 15.03.2014, 18:25

Hier wird mit "richtig" wieder "archäologisch korrekt" gemeint.
Scheint mir hier aber NICHT im Vordergrund zu stehen, sh. oben...
Außerdem gab es m.W. aus der Zeit auch Beispiele mit Kerben (bzw "Schultern", was dem ja funktional gleich kommt...) an beiden Enden.

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Re: Ein Paar Fragen zum Bau eines Wikingerbogens

Beitrag von Neumi » 15.03.2014, 19:08

Hallo Allerseits, ich hatte zwar erst mit einem Holunder zu tun, aber der lies sich hervorragend mit der HLP biegen und von Versprödung keine Spur.
Grüsse - Neumi
...Versuch und Fehler bevor die Sarg-Nägel eingeschlagen werden...

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Re: Ein Paar Fragen zum Bau eines Wikingerbogens

Beitrag von Fichtenelch78 » 15.03.2014, 20:51

Hey alle zusammen. Also der Holler lies sich heute mit anfeuchten+HLP+anfeuchten+HLP+anfeuchten..usw. usw. ziemlich gut biegen. Hab den Bogen heute auch soweit fertig gekriegt. Finish fehlt noch..aber das kommt morgen.

Jetzt aber mal ne andere Frage: Wo bekomme ich eine autentische Sehne für den Bogen her? Ich kann doch nicht auf so nen Bogen ne Sehne aus Darcon packen!?! Kenn irgendjemand jemand der Sehne nach historischen Vorbild fertigt?
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Re: Ein Paar Fragen zum Bau eines Wikingerbogens

Beitrag von Ravenheart » 15.03.2014, 21:27

Es gibt Dacron auch in Naturfarben...

http://www.westwood-archery.de/Sehnen-Sehnengarn-Sehnenbau-bcy-brownell-dacron/Sehnengarn-und-Sehnenwerkzeug/Sehnengarn-Brownell-Dacron-B50.html

Das Stehende hinten links. Sieht sehr natürlich aus, echt! Nennt sich "Bronze".. Kannst ruhig nehmen! :)

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Re: Ein Paar Fragen zum Bau eines Wikingerbogens

Beitrag von Wilfrid (✝) » 15.03.2014, 22:08

Dicken, gewachsten Leinenzwirn gibts beim Orthopädie Schuhmacher oder im Schuhmacherbedarf
Ich mache die fertige Leinensehne so dick wie die entsprechende Daccronsehne, hält

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