Schusterzwirn als Sehne, wie viele Strang?

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Idariod
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Schusterzwirn als Sehne, wie viele Strang?

Beitrag von Idariod » 21.11.2013, 01:56

Ich start auch mal wieder ein Thema! :D

Ich hab mir so ein Stück Schusterzwirn besorgt vom Bekannten eines Bekannten der das Zeug aus den Altbeständen der Werkssattlerei eines LKW Herstellers aufgekauft hat...vor zig Jahren.
Das Zeug dürfte in der Zwischenzeit nicht schlechter geworden sein, es hat lt. Zugwaage erst bei 37 lbs die Fasern gestreckt und ist geri...gebrochen.
Jetzt zur Frage, wenn es bei ca 35# aufgibt, und mein Erstling so ca. 59# Zuggewicht hat, wie viele Strang von dem Schusterzwirn muss ich dann nehmen, um halbwegs auf der sicheren Seite zu sein?
Ich hab gelesen dass angeblich eine Sehne mit 7 Strang optimal ist, alles darüber kann man nicht mehr mit der einfachen Multiplikation der Bruchlast eines einzelnen Stranges multiplizieren, es nimmt zwar die noch zu, aber nicht mehr geradlinig.
7x35#=245# ergo gut das vierfache vom Zuggewicht...das scheint mir gerade noch tolerabel, aber ist das wirklich genug?

Wer macht eigentlich seine Sehnen hier aus Schusterzwirn, und wo kauft ihr ein? (diese Info auch gerne per PM an mich, ich bin hier auf Neuland und für preisgünstige Bezugsquellen offen)
Und hält euer Zwirn mehr aus als meiner?

Danke im Voraus für eureInfos und eure Geduld (das Thema war so ähnlich sicher schon mal da, aber die Suche hält von Zuggewicht und Bogensehne nix :D).

LG,

Idariod
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Rizzar
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Re: Schusterzwirn als Sehne, wie viele Strang?

Beitrag von Rizzar » 21.11.2013, 07:06

Eine 1/4lbs Spule Dacron ist für unter 10€ zu haben und man kann locker 10 Sehnen daraus fertigen.

Gutes Schustergarn (je nach Material, gewachst/ungewachst etc) ist deutlich teurer (zwar in der verpackungseinheit meist größer angelegt, aber wer macht schon 50 Sehnen pro Jahr).

Wenn du also eine in der Anschaffung günstige alternative suchst bist du bei Schustergarn irgendwie fehl am Platze.
Sicher, du hast nichts oder nur wenig dafür bezahlt, ist aber nicht so, dass das den Wert des Produktes schmälert.


Für meine Armbrustsehnen benutze ich Schustergarn oder wasauchimmer ich in passender Stärke, Material und Aussehen bekommen kann. Meistens liege Ich auch beim 4fachen des Zuggewichts, aber auch höher, da es irgendwo auch um den Sehnendurchmesser geht. Bis jetzt ist mir noch keine Sehne gerissen, ist aber auch nicht so, dass ich binnen kürzester Zeit X-hundert Schuss damit mache.


Du solltest was deine Schlussfolgerungen angeht bedenken, dass dynamische Belastungsfähigkeit bzw Belastbarkeit des Materials durch Kanten Knoten etc. nur einen gewissen Anteil der maximalen Zugbelastung beträgt (analog zu Dacron).


Es kommt natürlich auch auf den Materialdurchmesser an, wenn der Faden bei einer Armbrust wegen dem Durchmesser gut aussieht bedeutet das beim Bogen, dass dieser meist zu dick erscheint, da man die Stränge gut erkennen kann.
Auch spielt eine Rolle, ob du die Sehne nachher noch einnocken kannst.



Gruß Rizzar

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Wilfrid (✝)
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Re: Schusterzwirn als Sehne, wie viele Strang?

Beitrag von Wilfrid (✝) » 21.11.2013, 12:11

Ich baue meine Sehnen aus gewachstem Leinengarn so dick wie eine Dacronsehne, und die halten ...
Allerdings sind die nicht so dehnbar wie Dacron, also auch nicht so federnd. Der Bogen sollte also Fastflighttauglich sein.
Wenn Du gerechnet die 10 fache Bruchlast hast, bist du auf der sicheren Seite, also 10 Strang sind 370#, 10 x35# sind 350#, passt.
7 Strang Schusterzwirn sind ein wenig unangenehm zu ziehen ..

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Idariod
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Re: Schusterzwirn als Sehne, wie viele Strang?

Beitrag von Idariod » 21.11.2013, 13:40

@Wilfrid:
Ok, da bräuchte ich für meinen Bogen ja dann eher 16 Strang, damit ich bei 59# auf der sicheren Seite bin. Mit 35# pro Strang
hatte ich gerechnet um noch ein wenig Sicherheit einzubauern.
Den Bruchtest von meinem Zwirn hab ich übrigens mit Bogenbauerknoten an der Zugwage und Wicklung um den Griff der Japansäge gemacht, und dann mal fest gezogen. Bei 37# hats gefetzt.

@Rizzar
Danke für den Einblick, bei einem Bogen kanns halt doch sein dass man in kürzester Zeit (1-2 Stunden) mal 300 Pfeile fliegen lässt, und wenns leicht geht auch an mehreren Tagen hintereinander. Die günstige Anschaffung steht jetzt nicht so sehr im Vordergrund als dass ich auf meinen selbstgebauten Bögen irgendwie lieber eine Naturfaser schießen möchte, allerdings bin ich halt auch grad noch am abwägen, ob sich das nicht relativiert mit dem Aufwand, eine sichere Sehne in moderater Stärke (einnocken soll sich der Pfeil schon noch lassen mit Mittenwicklung) herzustellen.

Und dann liest man halt auch noch in so Büchern dass eine Sehne über 7 Strang an relativer Reißfestigkeit verliert (sie wird zwar pro Strang reissfester, aber nicht in dem Maß wie der einzelne Strang reissfest ist), und dann wird man völlig unsicher.

Dacron und Fastflight sind ja bei vergleichbarer Reissfestigkeit dünner als der Schusterzwirn. Also noch mal zum Klarstellen: ich würd gerne bei der Naturfaster bleiben, damit der Bogen aus nix als Holz, Leder und Leinen/Hanf besteht. Aber dafür muss ich halt auch erst wissen, ob das machbar ist, bzw. ob sich der Aufwand lohnt, und welcher Schusterzwirn letztendlich geeignet ist, und ob man da auch Nachschub bekommt wenn man mal mehr als 50 Sehnen baut. ;)
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Re: Schusterzwirn als Sehne, wie viele Strang?

Beitrag von zwirn » 21.11.2013, 17:06

Sprecht ihr von mir????

LG Zwirn
Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht!

Wenn einer, der mit Mühe kaum, gekrochen ist auf einen Baum,
schon meint, daß er ein Vogel wär, so irrt sich der.

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Re: Schusterzwirn als Sehne, wie viele Strang?

Beitrag von Idariod » 21.11.2013, 17:17

Nur wenn du Schuster bist! LG, Idariod ^^
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Re: Schusterzwirn als Sehne, wie viele Strang?

Beitrag von Wilfrid (✝) » 21.11.2013, 17:21

Bei 59# kommst du auch mit 14 Strang aus, 16 wäre sicher gebaut. Die wird da eben genauso dick wie eine Dacronsehne.
Und die Mittenwicklung eben mit Sternchnzwirn oder Nähseide, schon bist Du dünn genug

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Re: Schusterzwirn als Sehne, wie viele Strang?

Beitrag von Tops » 21.11.2013, 20:06

Hallo,

auch wenn ich hier eigentlich nur lesend unterwegs bin misch ich mich zu diesem Thema mal ein.

Ich schieße seit Jahren nur naturfaser Sehnen.
Wie bereits beschrieben geht es mit Kunstfasern einfacher und langlebiger, aber stilistisch finde ich Natursehne auf Vollholz auch passender.
OK muß man halt häufiger mal die Sehne erneuern.

Die von Wilfrid angegebene Formel für die Sehne: Zuggewicht x10fache Bruchlast halte ich für etwas übertrieben.

Ich orientiere mich an der alten Faustformen min. Festigkeit = 4x Endzuggewicht.

Alternativ kenne ich noch die Formel Zuggewicht bei 15“ x 10.

Momentan schieße ich auf einem 52# bei 28“ Osage Flat Sehnen aus 9 Fäden Leinengarn à 27 lbs Bruchfestigkeit. Das ganze aus dreischäftige flämischspleis Sehne
Ergibt rechnerisch 243 lbs Bruchlast => Faktor 4,6.

Die Sehnen selber halten dicke und verschleißen/ brechen für gewöhnlich im Nockpunktbereich. Also nicht wegen Überlastung der Stränge durch Zug sonder aufgrund der Knickbelastung der Einzelfäden. Die verschlissenen Sehnen sollten natürlich vor dem Brechen getauscht werden.

Bezüglich der Aussage“ ...man ließt in Büchern das Sehnen über 7 Strang an relativer Reisfestigkeit verlieren...“ das hängt von Aufbau/ Variante der Sehen ab. Das ganze ist schön beschrieben in der Traditional Bowyer´s Bibel II im Artikel von Tim Baker über Sehen.
Es ist ein Unterschied ob man die z.B. neun Fäden als ein Bünde, zwei Bündel oder drei Bündle verarbeitet oder ob man sie flechtet.
Daraus ergeben sich unterschiedliche Belastungen der Einzelfäden und entsprechen ein unterschiedliches Ergebnis der Gesamtbelastbarkeit. Das ist auch schön beschrieben in der Traditional Bowyer´s Bibel II im Artikel von Tim Baker über Sehenbau.

Das Thema Materialbeschaffung ist spannen.
Es gibt da nicht viele Garnhersteller und die Grundqualität schwankt auch zwischen den einzelnen Garnchargen.
Ich prüfe mittlerweile jede neue Rolle die ich anbreche.

Früher hatte ich eine recht gute Quelle aus dem Bereich Indianerhobby aber der Shop hat vor einiger Zeit aufgegeben.
Es gibt aber einige Bogenhändler die Leinengarn führen. Da muß man dan entsprechend durchprobieren bis man etwas passendes findet oder auf den Bereich der Handarbeitsanbieter (Häkel- und Klöppelgarne ausweichen).

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Re: Schusterzwirn als Sehne, wie viele Strang?

Beitrag von Wilfrid (✝) » 21.11.2013, 22:19

ich nehme Schusterzwirn, gewachst, irgend was mit 22 im Namen, der ist in der Sehne dann nicht dicker "normales Sehnengarn", ein Strang = 2 Strang Dacron, Leinen selbst hält ungefähr soviel wie Dacron

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Re: Schusterzwirn als Sehne, wie viele Strang?

Beitrag von tommi370 » 22.11.2013, 13:23

Moin,

ich gebe auch mal meinen Senf dazu. Die meisten meiner Bögen habe ich schon auf Leinensehnen umgerüstet, bisher ohne Probleme. Eine 130-Meter Rolle für 3,10 € aus der Bucht. Ein Strang reißt bei diesem Garn zwischen 35 und 40#, ich habe 8 Stränge genommen für gut 50# Zuggewicht. Auch mehrere hundert Pfeile am Stück ohne Probleme. Grund für die Umrüstung war bei mir die Optik, passt viel besser zu einem Holzbogen als so ein Plastik-Strick. Naturfaser fühlt sich auch besser an, ich schieße ohne Handschuh oder Tab.

Gruß
Thomas

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Re: Schusterzwirn als Sehne, wie viele Strang?

Beitrag von Ravenheart » 22.11.2013, 17:02

Mein erster und einziger Versuch mit Leinengarn (16 Stränge) hätte mich fast den Bogen gekostet, da es beim ersten Schuss riss. Hanno Börner hat vorletztes Jahr beim Weitschießen in Heist geschätzt 10 Leinen-Sehnen "verbraucht", von denen keine mehr als ein paar Schüsse ausgehalten hat.

MIR sind meine Bogen dafür zu schade.

Ich weiß, dass Andere (wie auch Tommy, s.o.) bessere Erfahrungen gemacht haben.
Was ich damit sagen will:

1. Offensichtlich kommt es SEHR auf die Qualität des Garnes an. Billiges "Sternzwirn" vom Grabbeltisch im Kaufhaus hat wenig Aussicht auf Erfolg.

2. Die Gefahr eines Sehnenrisses ist deutlich größer als bei Dacron oder FF... Man sollte es daher NUR mit einem Bogen machen, dessen Verlust man für das Experiment verschmerzen KÖNNTE...

Rabe

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Re: Schusterzwirn als Sehne, wie viele Strang?

Beitrag von Wilfrid (✝) » 22.11.2013, 22:44

Sternzwirn ist nicht immer Leinen, sondern meist Ramin, und das hält nicht ...

Es muß "gewachstes Leinengarn" sein, 100% Leinen, also Leinen mit bis zu 10% Hanf, das hält (und hat seinen Preis).
Da das Garn ein Naturprodukt ist, und also mit wechselnden Festigkeiten gerechnet werden muß lieber ein Strang mehr als einer weniger. die üblichen Selfbows vertragen das alle, haben die vor der Entdeckung des Polyesters ja auch ..

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Re: Schusterzwirn als Sehne, wie viele Strang?

Beitrag von Idariod » 23.11.2013, 16:55

Hey, danke an alle für den vielfältigen Input. Ich hab heute auch mal nen Bruchtest mit einem Hanfgarn gemacht, das gibt bei 65 Pfund auf, ist aber auch dicker als der Schusterzwirn aus Leinen. Allerdings hat das Hanfgarn genau am Knoten aufgegeben, im Gegensatz zum Schusterzwirn der in der Mitte abgerissen ist.
Ich bin im Moment noch etwas gespalten...einerseits würd ich wirklich gern mit Naturfaser aufspannen, auf der anderen Seite ist halt Dacron billig und zuverlässig.
Ich halt euch auf jeden Fall auf dem Laufenden was ich dann effektiv mache, und wenn ich Naturfaser nehme, wie meine Erfahrungen damit sind. Falls jemand noch eine Bezugsquelle für den guten Schusterzwirn aus Leinen hat, bitte eine PM, wäre ganz lieb.

LG,

Idariod
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