Fichten-Fail: 0#@unendlich"

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ralfmcghee
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Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von ralfmcghee » 18.01.2016, 11:21

Vor einiger Zeit hat uns ein User mit einem Bauthread zu einem einzelnen Wurfarm aus Fichte verblüfft. Da gab es schon reichlich Kommentare, dass Fichte für den Bogenbau ungeeignet ist. Im Wiki ist das sinngemäß auch so zu lesen, aber ich wollte es, angeregt durch den genannten Thread, doch einmal probieren. (Wobei apaloosa da schon ans Herz gelegt hat, meine Zeit nicht mit Fichte zu verschwenden. Damit hat er bisher Recht behalten. ;) )

Mein Ziel waren aber zwei Wurfarme, einander gegenüberliegend, fest verbunden durch einen Griff; alles aus einem Stück. Im Sommer 2015 habe ich mir aus dem Schwarzwald ein wenig Fichtenholz, welches schon am Boden lag, mitgenommen. Das Holz habe ich bis zum Dezember trocknen lassen und dann die Bogenrohform herausgearbeitet.

Ab da ging es los: Nach ein paar unauffälligen Ruhetagen verzog sich der Rohling bananenförmig zur Seite hin; der Sehnenverlauf ging gut 4 cm seitlich am Griff vorbei. Ich habe dann versucht, den Bogen im oberen Wurfarm mit Dampf wieder zurückzubiegen. Das war nichts, denn zunächst sah der Sehnenverlauf gut aus, das Holz zog sich aber nach ein paar Tagen wieder in die krumme Form zurück.

Zweiter Versuch: Dampf auf den Griff, ordentlich biegen. Das hat funktioniert. Ich hatte dann einen Sehnenverlauf durch den Griff, wobei durch die Biegeaktion eine Art Schussfenster entstanden war.

Also auf zum fröhlichen Tillern. Hier kann ich sagen: Ich war richtig gut. Den Rohling habe ich absolut vorsichtig behandelt und hatte einen nach meiner Auffassung schönen Tiller. Während des Tillerns habe ich das Zuggewicht für den jeweils erreichten Auszug gemessen und war durchaus zufrieden. Auf der Basis peilte ich 30# oder ein wenig mehr an.

Leider hat sich der Bogen bei 26" selbständig fertiggetillert. Ich hatte ihn schon auf 28#@26", aber bei einem weiteren vorsichtigen Ausziehen ist er mir kurz vor 26" mit einem lauten scharfen Knall um die Ohren geflogen. Der Wurfarm hat sich an der Stelle verabschiedet, an der ich ihn zuerst mit Dampf gebogen hatte.

Hier kommen ein paar Fotos vom bedauerlichen Ergebnis. Ein paar nette Sachen habe ich aber trotzdem gelernt:

- Meine Vorgehensweise beim Bogenbau wird allmählich geduldiger und besser und ich habe den Tiller besser im Blick. Steife und schwache Stellen beginne ich genauer zu erkennen. Das Gefühl in den Fingerspitzen ist dabei ähnlich hilfreich wie ein Markiertool für steife Stellen.
- Fichte mit liegenden Ringen mache ich nicht mehr. Nach der Bruchstelle sieht es für mich so aus, als ob Fichte zumindest für einen Bogen mit liegenden Ringen keine geeignete Holzstruktur hat.
- Biegen mit Dampf: Einen Versuch ist es zumindest wert. Immerhin habe ich den Stave so hingekriegt wie ich ihn brauchte.
- Jetzt weiß ich, wie sich ein geplatzter Bogen anfühlt. Bisher sind meine Bögen im Falle eines Bruchs immer nur kollabiert.

Unbelehrbar bin ich aber immer noch: Ich habe noch ein Stämmchen. Damit werde ich einen Versuch mit stehenden Ringen machen. Das wird aber wohl mein letzter Fichtenversuch werden. Ich rechne stark damit, dass der zweite Versuch auch nichts werden wird, weil bei einer ähnlichen Holzstruktur bei stehenden Ringen möglicherweise Fasern seitlich aus den Wurfarmen laufen werden.

Hier sind noch ein paar Bilder von dem kleine Schlag ins Wasser; viel Spaß beim Betrachten.

LG
Ralf
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DSCF0006.JPG
Jahresringstruktur im Detail: Für einen Bogen ist die Struktur irgendwie inhomogen.
DSCF0007.JPG
Der Wurfarm ist auf einer Länge von ca. 25 cm delaminiert und die Holzstruktur erscheint schlicht als ungeeignet. Die beiden Knäste im unteren Teil des Bildes waren weder auf dem Rücken noch auf dem Bauch zu sehen.
AuszugdiagrammFichtenbogen.jpg
Auszugsdiagramm: Da war noch alles gut. Nicht ganz monotoner Verlauf, aber die Messwerte korrlieren mit 0,9946 mit der Trendgraden. 0,54% der Messwerte liegen nicht auf der Regressionsgeraden. Das können z.B. Messfehler sein (ich musste einmal ein wenig mit statistischen Methoden spielen). Daraus leite ich ab, dass recht sorgsam getilltert habe. Schade, dass ich keine Tillerfotos gemacht habe.
Der Krug geht zum Brunnen bis er bricht.
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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von Markus » 18.01.2016, 11:37

Ich finde es gut, dass Du dieses Projekt angegangen bist, selbst wenn davon auszugehen war, dass der Bogen bricht.
:) :)
Und gelernt haste auch noch dabei.

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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von Spanmacher » 18.01.2016, 11:40

Meine ausgesprochene Hochachtung für Deine Hartnäckigkeit, Ralf und danke, dass wir mitlernen können (Du hättest das Malheur ja auch einfach verschweigen können).
Ein zu hohes Zuggewicht ist nichts anderes als Körperverletzung und verhindert darüber hinaus einen brauchbaren Trainingseffekt.

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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von fatz » 18.01.2016, 12:00

Vielleicht haettest du doch Dachlatten als Rohmaterial nehmen sollen ;D

Nur so aus Neugier: Wie dick war der Rohling? Normales Holz oder irgenwo vom Berg?
Haben ist besser als brauchen.

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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von max2 » 18.01.2016, 12:35

Vielleicht kannst Du noch draus lernen, dass man arbeitende Bereiche des Bogens besser nicht dämpft. ::)

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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von Markus » 18.01.2016, 12:41

@max2 - ist das eine verallgemeinernde Bogenbaueraussage für alle Hölzer oder gilt die speziell für Fichte?

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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von Spanmacher » 18.01.2016, 13:45

Danke für diese Frage, Markus.
Ein zu hohes Zuggewicht ist nichts anderes als Körperverletzung und verhindert darüber hinaus einen brauchbaren Trainingseffekt.

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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von ralfmcghee » 18.01.2016, 14:50

@fatz:

Der Stamm hatte ursprünglich ca. 6 cm Durchmesser. Die Fichte stammte nicht von einer ausgesprochenen Hanglage. Sie stammte zwar aus dem Schwarzwald, aber die Fundstelle war eben. Was Heidjer kürzlich als Druckholz gezeigt hat, war in meinem Material nicht vorhanden.

Das Design war ursprünglich nach der Maßgabe für zweifelhaftes Holz "lang - breit - flach" ausgelegt. Wenn der Bau funktioniert hätte, wäre wohl ein Meare-Heath-ähnlicher Bogen herausgekommen. Ähnlich deshalb, weil die Wurfarme die Breite von 6 cm nicht erreicht haben. Ich hatte dann eine Breite von gut 4 cm mit einer minimalen Verjüngung im letzten Viertel vor den Tipps.

@max2:

Dämpfen hätte ich grundsätzlich gerne vermieden, aber so wie sich die Baustelle zur Seite verzogen hatte, war es... alternativlos. ;D

@all:

Danke Euch für Euren Zuspruch! :)
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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von fatz » 18.01.2016, 15:06

Ich hatte eher die Hoehenlage gemeint. Koennte mir vorstellen, dass langsam gewachsene Fichte besser haelt.
Haben ist besser als brauchen.

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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von SchmidBogen » 18.01.2016, 15:14

Wann Fichte, dann würde ich rein aus dem Bauchgefühl stehende Ringe nehmen und zumindest ein Flachs-Bruchschutz raufpappschen.
Aber finde es toll und irgendwo auch Interessant deine Begeisterung für das Projekt Fichte.
Fichte hat es bei mir bisher nur zu Pfeilschäften und einem Bogengriff-Zierelement geschafft.
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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von Chirion » 18.01.2016, 15:20

hm...Standardfichte ist sicherlich nicht geeignet, aber Fichte die möglicherweise bedingt zum Bogenbau geeignet sein könnte ist meiner Meinung nach Hochmoorfichte aus alpinen Lagen, Stammduchmesser von unter 8cm bei einem Alter von über 200 Jahren sind da keine Seltenheit und das Holz ist für Fichte sehr hart, zäh und extrem schwer.

Aber alleine der Aufwand der Beschaffung solchen Holzes lohnt nicht, denn da gibt es jede Menge lohnendere Hölzer die leichter zu beschaffen sind
Zuletzt geändert von Chirion am 18.01.2016, 15:25, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von Chirion » 18.01.2016, 15:23

SirNicholas hat geschrieben:Wann Fichte, dann würde ich rein aus dem Bauchgefühl stehende Ringe nehmen und zumindest ein Flachs-Bruchschutz raufpappschen.


Flachs beansprucht den Bauch ganz gewaltig und ist sicherlich bei wenig druckfestem Holz kontraproduktiv .
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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von ralfmcghee » 18.01.2016, 16:19

@fatz:

Meine Fichte habe ich aus der Gegend von Todtmoos (700 m Höhe) mitgenommen. Eine alpine Lage war das sicher nicht. Deshalb konnte ich auch nicht erwarten, ein gutes Holz zu haben. Wenn das ein guter Bogen geworden wäre, hätte ich gejubelt. ;D

@Sir Nicholas:

Ich habe über ein Backing nachgedacht. Allerdings habe ich den Bauch als wenig druckfest eingeschätzt und deshalb auf das Backing verzichtet. Aber das zweite Stämmchen, welches ich noch habe, verbaue ich mit stehenden Ringen. Mal sehen, was das dann wird.

@Chirion:

Das sehe ich auch so. Mal kurz die Säge ansetzen um ein wenig liegendes Holz mitzunehmen, war mir okay. Aber krumm gemacht hätte ich mich dafür eher nicht.
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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von max2 » 18.01.2016, 18:46

Ja ganz verallgemeinernd für alle Hölzer. Aber bei Fichte ist es besonders schlimm. :)

Nee, Erfahrung hab ich mit Fichte auch keine, manche dämpfen ja auch durchaus mit Erfolg.
Bei mir ist eben alles gedämpfte, was dann so dünn war, dass es arbeiten musste, unter Last immer wieder zurück gegangen.
Irgendwie wird das Holz dann pappsch.

Das ganze Experiment ist einfach blöd aus meiner Sicht, aber wenn´s Spass macht und Lehren gezogen werden ist es ja auch o.k.

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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von killerkarpfen » 18.01.2016, 19:17

Nein Fichte geht schon, nur nicht die Nordmannstanne von Weihnachten her.

ich habe es schon einmal vorlaut angepriesen, ich kenne jemanden der aus Bergfichte schiessende Bögen macht. Stehende Ringe sind Pflicht. Weiter sollte der Stamm möglichst dick sein und muss gespalten werden damit man den Lauf der Querfasern als Bogenrücken verwenden kann. Auch einigermassen feine Jahrringe.

Die Dachlatte aus dem Baumarkt kannst du vergessen!

Als Backing eignet sich besser eine dünne Rohhaut, von Ziege oder Hirsch. Die hält gut zusammen und stresst den Bauch nicht all zu sehr. Ich denke auch ein dünner Sehnenbelag ist elastisch genug den Bauch nicht dermassen zu komprimieren.

Statisches Material wie Leinen Hanf oder sonst etwas würde ich wie andere schon gesagt haben nicht empfehlen.
Auch die so oft erwähnten Straussensehnen dieses Kauzeug für Hunde sind mir viel zu brüchig.
Eppur si muove

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