Fichten-Fail: 0#@unendlich"

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Neumi
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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von Neumi » 18.01.2016, 19:52

Hallo, ich erachte dieses Experiment als wenig sinnvoll, da Holz genommen wurde, welches nicht frisch geschlagen und standardmässig getrocknet wurde - das Holz sieht an der Bruchstelle versprödet aus. Ausserdem siehe Chirions Beitrag.
Man kann aber meiner Meinung nach nicht behaupten, dass das Dampfbiegen dem Holz schadet. Schaden sollte es dem Holz, wenn es frisch geschlagen und somit wassergefüllt ist. Durch die Hitze verdampft Wasser aus dem Holz und durch den entstehenden Dampfdruck werden Zellen praktisch zu Platzen gebracht. Ich gehe zum Beispiel bei meinem Hartriegel-Experiment davon aus, dass das Holz, bzw. die Zellen durch das Dampfbiegen beschädigt wurden und die Bruchgefahr deutlich höher sein sollte - theoretisch.
Wenn man trockenes Holz (also mit einer zum Bogenbau passenden Holzfeuchte) dampfbiegt, sollte den Zellen nichts passieren, denn die Zellen waren ja nur zusammen gezogen und können sich wieder ausdehnen und die niedrige Restfeuchte sollte nicht ausreichen, um die Zellen zum platzen zu bringen. Zumindest sehe ich das so. Ausserdem hatte ich mit noch keiner Biegung bei trockenem Holz im arbeitenden Bereich Probleme oder gar Brüche (bei Eibe, später Traubenkirsche, Haselstrauch und Esche).
Grüsse - Neumi
Und noch ne Edit: Es wird ab und an das Argument angeführt, dass das Dämpfwasser sich verfärbt, also Stoffe aus dem Holz ausgewaschen wurden. Dieses Argument lasse ich nicht gelten, da weder die Ligninstrukturen, noch die Cellulosestrukturen des Holzes wasserlöslich sind. Es werden Farbstoffe ausgewaschen.
...Versuch und Fehler bevor die Sarg-Nägel eingeschlagen werden...

baschdler
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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von baschdler » 19.01.2016, 02:26

Man kann einen Bogen noch so breit bauen aber er wird trotzdem brechen, wenn die Dicke (Maß von Rücken zu Bauch) seine Grenze überschreitet. Lang Bauen hilft auch, bei suboptimalem Holz, aber sicher nicht breit Bauen !
Aus der Breite kann man nur Zuggewicht "schöpfen", aber nur dann, wenn die übrigen Parameter ihre Grenze nicht überschreiten !
Deswegen ist die Breite, für das gelingen des Versuchs, eigentlich völlig irrelevant.

Ich finde es auf jeden Fall interessant, daß immer mal wieder ungewöhnliche Experimente unternommen werden. :)

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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von fatz » 19.01.2016, 07:43

Tut mir leid, aber das ist so Schmarrn oder zumindest nur die Haelfte vom Lied.
Ein Bogenholz bricht dann, wenn der durch die Biegung verursachte Laengenunterschied zwischen Bauch und Ruecken zu gross wird. Dieser Laengenunterschied ist von Bogendicke und Kruemmungsradius des Bogens abhaengig. Daraus folgt: Baust du flach und/oder lang wird das Holz weniger belastet.
Wenn du breit baust wirst du bei gleichem Zuggewicht flacher. Leider ist der Zusammenhang nicht linear und ein flacher breiter Bogen ist deswegen schwerer wie ein gleich starker, gleich langer aber schmaler Bogen
Haben ist besser als brauchen.

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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von ralfmcghee » 19.01.2016, 10:27

Nun, das war schon die Idee, die ich mit dem Fichten-Versuch verfolgt habe: Baue einen Bogen aus einem fragwürdigem Holz, welches gerade herumgelegen hat: Allerwelts-Fichte, die ohnehin nicht bekannt dafür ist, gute Bögen hervorzubringen und zusätzlich mit Problemstellen behaftet ist. Neumi hat Recht. Das Holz kann durchaus spröde gewesen sein. Jedenfalls habe ich dafür keinen lebenden Baum malträtiert.

Alles in allem habe ich ziemlich konservativ gebaut, wobei ich denke, dass 4 cm Breite nicht übertrieben breit sind. Ich habe sehr auf einen harmonischen Tiller geachtet, was sich insofern durchaus gelohnt hat, als der Bogen erst bei 26" gebrochen ist. Eigentlich habe ich ja damit gerechnet, dass er schon viel früher aufgibt. So wie es ausgegangen ist, ist es für mich völlig okay.

Von der gleichen Fundstelle habe ich noch einen Stamm in ungefähr den gleichen Maßen mitgenommen. Der ist ein wenig gebogen, so dass ich ihn bei stehenden Ringen mit einem leichten Reflex bauen kann. Wenn ich Glück habe, wird ein Bogen daraus, aber ich gehe nicht davon aus, dass das ein wirklich guter oder schneller Bogen wird. Auch da wäre ich zufrieden, wenn ich einen vernünftigen Tiller hinkriegen würde und einen fertigen Bogen präsentieren könnte. Realistisch betrachtet gehe ich aber davon aus, dass auch dieser Bogen brechen wird und in diesem Fall bin ich gespannt, wie die Bruchstelle dann aussieht.

Wie Ihr seht, habe ich ein gewisses Faible für Projekte mit übersichtlichem Sinngehalt. ;) Die sehe ich als Finger- und Tillerübungen, die ich nicht gerade mit meinem schöneren Holz machen möchte. Danach hat es sich dann aber auch mit Fichte. Meinen Holzvorrat verarbeite ich bezüglich der Materialqualität von schlecht nach gut, ähnlich wie beim Malen lernen: Von der Rückseite verdrucktem Druckerpapiers über ein blankes Blatt Papier, von da aus über einen Schulzeichenblock hin zu hochwertigem Zeichenpapier. So ist für mich jeder Bogenbruch vorerst Genuss ohne Reue. :)
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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von Spanmacher » 19.01.2016, 10:33

Nach wie vor finde ich die Versuche von ralfmcghee hoch interessant.

Die Grenzen von Holz mit grenzwertigem Holz zu testen, halte ich nicht für eine sinnlose Methode.
Als nicht besonders intelligent würde ich es bezeichnen, wenn solche Versuche mit qualitativ absolut hochwertigem Holz angestellt würden.
Vor diesem Hintergrund kann ich einige Nebensätze in vorangegangenen Kommentaren nicht wirklich nachvollziehen.

Michael
Ein zu hohes Zuggewicht ist nichts anderes als Körperverletzung und verhindert darüber hinaus einen brauchbaren Trainingseffekt.

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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von ralfmcghee » 19.01.2016, 10:45

Genau so ist es. Meinen ersten Bogen habe ich in einem Kurs aus Hickory gebaut. Wenn der daneben gagangen wäre, hätte ich es als äußerst frustrierend empfunden. Den zweiten Bogen habe ich ebenfalls in einem Kurs aus Osage gebaut. Da hat schon der Stave ein paar Euro gekostet. Da wäre ich auch sauer gewesen, wenn er mir gebrochen wäre. Der dritte Bogen war eine Robinie, die ich ohne Betreuung grandios versaut habe. Oh je, wenn das eine Bergulme oder eine hochklassige Eibe gewesen wäre... Der vierte Bogen war eine hübsche Esche, die ich wegen Ungeduld zu sehr geschwächt habe. Die wartet nun darauf, dass ich mit Erfahrung noch einmal herangehe. Dann kann (!) vielleicht ein Laminierter daraus werden.

Aktuell baue ich mit dem Material, welches mir für lau und ohne großartigen Aufwand zuläuft. Im Wesentlichen ist das Hasel, Blutpflaume und eben die genannte Fichte. Da darf schon einmal etwas passieren, ohne dass ich die Krise kriege. Auf jeden Fall lerne ich damit eine Menge. Und aus einem schönen Ulmen-Stave darf dann auch ein schöner Bogen werden; so anspruchsvoll bin ich dann doch. ;D
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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von captainplanet » 19.01.2016, 10:53

Spanmacher hat geschrieben:Als nicht besonders intelligent würde ich es bezeichnen, wenn solche Versuche mit qualitativ absolut hochwertigem Holz angestellt würden.

Die investierte, bewertete Arbeit ist gerade bei Fichte ein Vielfaches der Preisdifferenz gutes Holz - billiges Holz. Deswegen zahlt es sich wohl kaum aus, beim Holz zu sparen.
Allerdings ist Qualität eine Frage der Perspektive. Als Bogenbauer würde ich - wenn es schon Fichte sein soll - druckfestes Reaktionsholz suchen und dann einen Bogen mit Backing probieren. Als Sägewerker oder Häuselbauer würde ich um solches Holz einen großen Bogen machen.

Lg Georg
Bester Rindengrapscher von FC!!!

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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von max2 » 19.01.2016, 12:21

Deine Herangehensweise ist schon in Ordnung und nachvollziehbar.

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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von Osboan » 20.01.2016, 08:44

So, jetzt habt ihr mich so weit - ich bau jetzt auch mit Fichte! *trotzigdreinblick*
Habe gerade die größte Fichte in meiner Umgebung besucht und sie um einen alten Ast erleichtert. Der war so lang, dass gleich 2 Rohlinge rausgegangen sind :D Wunderschönes engringiges Druckholz.
Ich werde berichten - sobald ich wieder eine vernünftige Kamera habe...
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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von ralfmcghee » 20.01.2016, 09:38

Oscar, ich freue mich auf genau diese Bögen. Dafür wünsche ich Dir ganz viel Erfolg!

@all:

Das Fichtenthema finde ich allgemein gerade sehr interessant. Nach meiner Wahrnehmung schien es bisher nämlich immer so: Fichte geht gar nicht; nur aus Eibe werden gute Nadelholz-Bögen. Ich glaube mich zu erinnern, dass jemand aus Douglasie etwas machen wollte. Mal sehen, ob man davon noch einmal etwas hört.

Dann kam mahagugu daher und bastelte mit Fichte herum. Das hat mich irgendwie gereizt. Na ja, einen Versuch habe ich noch; der muss aber noch warten.

Und nun haben wir im Sap-Turnier zwei Projekte, bei denen Fichte im Spiel ist und Oscar fängt auch damit an. Damit haben wir drei Projekte von Leuten, von denen man annehmen kann, dass sie es können. So muss das sein.

Zwar werden Fichtenbögen die Bogenszene nicht gleich auf den Kopf stellen, aber ich bin sicher, dass jeder Bogen und auch jeder Flop einen Beitrag zu neuen Erkenntnissen liefert. Ich bin wirklich gespannt, wie sich die Projekte entwickeln werden.

LG
Ralf
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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von Osboan » 20.01.2016, 16:19

Naja, bei den Leuten, die was können, darfst du mich noch rausnehmen, dann passt das ;)
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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von Osboan » 28.01.2016, 09:39

Kleiner Nachtrag (und wieder mal Doppelpost - aber zumindest mit Abstand ;) ):

Den letzten Anstoß, es mit Fichte zu versuchen, hat mir letzte Woche eigentlich ein alter Mann in der Straßenbahn gegeben. Ich saß da und spielte mit einer Rolle Leinenzwirn, als er mich anredete, was ich damit denn mache. Als ich ihm vom Bogenbauen erzählte, wurde er ganz rührselig und hat mir von seiner Kindheit erzählt (er war sicher über 80 Jahre). Zuerst erwähnte er die üblichen Haselstecken, doch dann erzählte er mir von seinem besten Bogen. Und der war aus einem Fichtenast gefertigt!
Er hatte ihn lange und schoss sehr gerne damit, bis er ihm eines Tages von einem Jungen aus der verfeindeten Bande im Nachbardorf gestohlen wurde.
Ich wertete das als sehr gutes Omen und bestieg noch am nächsten Tag die besagte Fichte :) Also: die Hoffnung stirbt zuletzt 8)
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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von fatz » 28.01.2016, 10:28

Osboan hat geschrieben:Und der war aus einem Fichtenast gefertigt!

Merkst was?Aeste sind bei Fichte eine ganz andere Nummer als das Stammholz. Frueher hat man Holznaegel fuer Bundwerk nicht ohne Grund aus Fichtenaesten gemacht. Zumindest in Gegenden wo man mit Fichte gebaut hat. Ich lehn mich mal aus dem Fenster: Wenn Fichte geht, dann entweder eine, die unter polaren Bedingungen (also auch Hochgebirge) "gewachsen" ist oder Astholz.
Zuletzt geändert von fatz am 28.01.2016, 14:07, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von Chilly » 28.01.2016, 13:21

Mich interessiert das Thema Nadelholz auch, ich hab mir im Vorjahr eine Lärche besorgt (Stammdurchmesser ca. 15cm), die trocknet noch vor sich hin. Neben der "Öxn" ein für dieses Jahr geplantes Projekt, bin gespannt!!
Lärchenäste sind, im Gegensatz zu Fichtenästen, meiner Meinung nach viel zu spröde.

Chilly
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Zwei linke Hände und da nur Daumen!
Meine Fehler von gestern sind mein Know-How von heute!

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Re: Fichten-Fail: 0#@unendlich"

Beitrag von Osboan » 28.01.2016, 16:11

Was ist denn eine Öxn?

Grüße Oscar
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