Knochen als Bogenmaterial, vergessen, unterschätzt?

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Chirion
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Knochen als Bogenmaterial, vergessen, unterschätzt?

Beitrag von Chirion » 16.11.2012, 18:55

Knochen wurde von zahlreichen Völkern zu Bogen verbaut, nach einem Blick auf die Biomechanischen Daten von Knochen, möchte ich eine kleine Versuchsreihe starten, die die Eignung von Knochen als Facing und auch die Möglichkeiten der Modifikation der Eigenschaften ausloten soll. Meine Theorie geht so weit, dass ich mir vorstellen kann einen Komposit mit dem Aufbau: modifizierter Knochen-Holz- Knochen zu bauen.
Also wird es erst mal blutig animalisch, nach einem Telphonat mit dem örtlichen Schlachthof, dürfte ich morgen im Besitz von ein paar ausgelösten Rinderrippen mit voller Länge sein, dann wird erst mal das entfernen des Periosts und das Entfetten im Vordergrund stehen, hat wer Erfahrungen wie man Knochen schonend entfettet? Ich möchte alles vermeiden was den Kollagenfasern Schaden zufügen könnte.
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Re: Knochen als Bogenmaterial, vergessen, unterschätzt?

Beitrag von benzi » 16.11.2012, 19:04

Hallo Chirion,

interessantes Projekt!
Ich kenne Knochen bei Bogenfunden bisher nur als Versteifungsmaterial im Griff- und Siyhasbereich.
Welche his. Vorlagen hast Du beim Projekt im Kopf?

viel Spass

benzi
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Re: Knochen als Bogenmaterial, vergessen, unterschätzt?

Beitrag von Haitha » 16.11.2012, 19:20

http://books.google.de/books/about/American_Indian_Archery.html?id=xMF4OqmebHEC&redir_esc=y

Dann ist das das richtige Buch für dich! Hab ich in meiner Zeit in England gelesen, er hat ein eigenes Kapitel über Knochen, soweit ich mich erinnere kommt er aber nicht zu befriedignden Ergebnissen. In dem Kapitel geht es auch um Bearbeitung und Formung von Knochen.

Die einfachste Variante sind wohl Zoophobas oder Maden ;) und danach ein Laugenbad.

Viel Erfolg!
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Re: Knochen als Bogenmaterial, vergessen, unterschätzt?

Beitrag von Sir Weazel » 16.11.2012, 19:23

Knochen kannst du am besten durch Dämpfen entfetten, oder die längere Variante eingraben und warten....!! ;)

Als gelernter Koch würde ich dir aber dämpfen empfehlen, die Fleisch und Hautreste müssen aber richtig gar werden damit sie sich lösen. Kochen wäre nicht so gut weil sich dann auch die Gelantine in den Knochen löst. Weiß ja nicht ob die von Bedeutung ist für dein Experiment.
suum cuique!....... Ego sum qui sum ... a debet ..

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Re: Knochen als Bogenmaterial, vergessen, unterschätzt?

Beitrag von Chirion » 16.11.2012, 19:55

@benzi zb. Sind einige der japanischen Kurzbögen auf dieser Seite aus Knochenhttp://www.japaneseweapons.net/yumiya/yumi/english.htm
Auch hab ich irgendwo gelesen, dass Eskimobögen aus Knochen seien.
usw. Ich habe noch nichts wirklich konkretes im Kopf, muss erst mal die Eigenschaften des Materials ausloten.
@Haitabu danke für den Link zum Buch, das mit den Maden geht von selbst wenn mir nicht ihnerhalb von ein paar Tagen was einfällt :)
@Weazel, genau kochen ist nicht so gut, schliesslich sind die wohlgeordneten Kollagenfasern in der Rinderrippe die immerhin 35 Gewichtsprozent ausmachen,von entscheidender Bedeutung, Ich könnte es auch gleich mit 5% Essigsäure versuchen, schliesslich hab ich ja ohnehin vor den Mineralgehalt des Knochens vu vermindern.
Präperatoren arbeiten mit einem Azetonbad, soviel konnte ich schon erfragen
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Re: Knochen als Bogenmaterial, vergessen, unterschätzt?

Beitrag von Galighenna » 16.11.2012, 20:27

Aber wenn du die Knochen in 5% Essigsäure einlegst werden die wabbelig, weil nur noch Gelatine übrig bleibt.
Übel übel sprach der Dübel,
als er elegant und entspannt
in der harten Wand verschwand

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Re: Knochen als Bogenmaterial, vergessen, unterschätzt?

Beitrag von acker » 16.11.2012, 20:31

Ameisen,....aber leider etwas spät im Jahr ;)
Maden bekommst _Du idr im Angelladen.
Der junge Mensch lernt, was die Erwachsenen wissen und verlernt was er als Kind gewusst hat.

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Re: Knochen als Bogenmaterial, vergessen, unterschätzt?

Beitrag von Morten » 16.11.2012, 21:33

Die Eskimobogen waren angeblich aus "Wahlbein" - gemeint sind damit aber Wahlbarten.
Die sind aber keine Knochen, sondern Horn. Soweit ich weiß.
Und die hatten das berühmte Kabelbacking, die verarbeitung von Leimen ist bei Minustemparaturen schwierig...

Es gibt aber auch Bogen aus Geweihstreifen mit Sehnenbacking, Geweih ist ja eher Knochen oder?


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Re: Knochen als Bogenmaterial, vergessen, unterschätzt?

Beitrag von Chirion » 16.11.2012, 21:46

@Galighenna jup da werden sie wabellig aber nur solange sie nicht trocken sind, Die Zugfestigkeit von Knochen beruht zu mehr als 90% auf den darin enthaltenen Kollagenfasern. Die Zugfestigkeit von Knochen steht der von Sehnen um nichts nach, wenn also eine 2mm dicke Knochenlammelle unter Saureeinwirkung demineralisiert wird bleibt Gelatine aber zugfeste Gelatine denn die Fasern sind noch in ihrer ursprünglichen Ordnung. Die Lammelle ist im feuchten Zustandimmer noch 2mm dick. Was passiert wohl wenn man diese Lammelle gründlich spült, und dann mit Hasenhautleim auf eine Holzleiste klebt, und das ganze anschliessend ein zwei wochen austrocknen lässt. Genaugenommen weiss ich nicht was passiert, aber das möcht ich eben ausprobieren.
Auch intressiert mich wie sich teildemineralisierter Knochen verhält, oder ob es möglich ist bei einer 2mm Lammelee eine seite Säurefest zu beschichten und dann zu demineralisieren, es könnte sich in der Lamelle ein Mineralisierungsgradient ergeben eine Seite wäre dann extrem Druckstark und die andere Zugfest und elastisch, viel Möglichkeiten. Und eine nicht unerhebliche Warscheinlichkeit nur eine stinkende Riesensauerei zu produzieren :)
Zuletzt geändert von Chirion am 16.11.2012, 22:18, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Knochen als Bogenmaterial, vergessen, unterschätzt?

Beitrag von Chirion » 16.11.2012, 21:54

@Morten Wahlbein sind Barten ja und die sind aus Horn das ist auch richtig, ich schrecke wenns um Bogenbau geht vor kaum was zurück aber die lieben Wahle lass ich sicher in Ruh. Aber ich hab auch von Bögen aus Knochen, nicht Wahl sondern Wahlross, gelesen (frag mich nicht genau wo, war irgendein Antropologischer Schmöker aus den 20iger Jahren) und ja es gibt auch Bögen mit einem Facing aus Elchgeweihstreifen

@Acker Ameisen hm hätt ich jede Menge im Garten, aber wirklich die falsche Jahreszeit, Die Maden stell ich mal in die Zweite Reihe der Optionen, da versuch ich vorher noch Geschirrspülmittel bei 70 Grad über 10 Stunden
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Re: Knochen als Bogenmaterial, vergessen, unterschätzt?

Beitrag von Chirion » 16.11.2012, 22:14

Ich werde die Experimente damit starten aus einem unbehandelten frischen Knochen einpaar Lammellen zu schneiden, dann gibt es erst mal einen standard Bruchtest. Die restlichen Rippen wandern erst mal in den Tiefkühler, eine Testreihe beschäftigt sich dann mit der Entfettung, ein Bruchtest sollte zeigen ob sich die Entfettung negativ ausgewirkt hat, gleichzeitig gibts die ersten Demineralisierungs Versuche mit anschliessendem Test der Zugfestigkeit und Elastizität des Produckts in getrocknetem Zustand.
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Re: Knochen als Bogenmaterial, vergessen, unterschätzt?

Beitrag von Quercus » 16.11.2012, 22:36

Hi Chirion
Jim Hamm beschreibt in seinem Buch BOGEN UND PFEILE DER NORDAMERIKANISCHEN INDIANER den Bau eies Bogens aus Bisonrippen. habe ich vor ein paar Jahren mal gelesen. Vielleicht hilft dir das weiter. Ich kann mich nicht mehr an Näheres erinnern.

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Re: Knochen als Bogenmaterial, vergessen, unterschätzt?

Beitrag von Chirion » 16.11.2012, 22:59

@Quercus danke für den Hinweis, ich werd mich mal danach umsehen.
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Re: Knochen als Bogenmaterial, vergessen, unterschätzt?

Beitrag von Haitha » 17.11.2012, 09:18

@Chrion: Zoophobas haben den Vorteil, dass die sich nicht in Brummer verwandeln und etwas gieriger sind ;)

Quercus Hinweis ist auch gut, aber auch Hamm kommt nicht zu befriedigenden Ergebnissen mit dem Knochenkomposit.
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Re: Knochen als Bogenmaterial, vergessen, unterschätzt?

Beitrag von Snake-Jo » 17.11.2012, 09:51

@Chirion:
Lassen wir mal die Hornplatten außen vor, ist nicht Thema.
Bögen aus Knochen gibt es, meist in Kombination mit Sehnenbelag. Falls du den Artikel aus der TBB haben möchtest, melde dich.
In der Regel wird Knochenmaterial aus dem Geweih von Rentieren verwendet (antler). Diese Geweihstücke haben die richtige Länge und sind im Gegensatz zu Röhrenknochen ud auch Rothirschgeweih sehr viel flexibler, was ich selbst ausgetestet habe. In engen Maßen läßt sich dieser Geweihknochen durch Hitze (HLP) auch biegen.
Knochenmaterial aus Rippen soll auch gehen, weil diese sehr viel biegsamer sind als Röhrenknochen. Sie haben aber den Nachteil, dass der Compacta-Anteil gegenüber dem Spongiosa sehr gering ist und insgesamt das Rippenmaterial sehr grob aufgebaut ist. Könnte leicht einknicken.
Zur Präparation: Die höchste Festigkeit hat Knochen im Körper als lebendes Material, es wird übertroffen in der Festigkeit von Zahnbein und vom Chitin der Insekten. Für dich heißt das, dass du den Knochen so verwenden kannst, wie er gewonnen wird, allerdings mußt du ihn entfetten. Dies geschieht durch Kochen in Waschpulverlösung. Da kann mann nicht sehr viel falsch machen, weil man den Knochen immer wieder herausnehmen und anschauen kann: er muss noch leicht gelblich bleiben. Außerdem kann man die Prozdeur jederzeit wiederholen. Bei Geweihknochen entfällt die Kocherei, sofern man nur die Compacta verwendet, diese ist bei Rentieren 4-6 mm stark. Rentiergeweih wird im Internet angeboten.

Noch ein Hinweis zu den Helferlein bei der Präparation: Zur Entfernung von Fett, Sehnen, Fleischresten am Knochen speziell bei Tierschädeln verwendet der Präparator (also auch ich) den Museumskäfer und seine Larven. Zoophobas ist ungeeignet, weil zu groß. Der kommt nicht in die feinen Kanäle z.B. diejenigen in den Nasenhöhlen der Makrosmaten.

Schönes Thema! Viel Erfolg! :)

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