Hist. Ungarischer Köcher Nachbau

Sättel, Zaumzeug, Reiterbogen, Kompositbogenbau, usw.
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RE:

Beitrag von shewolf » 20.03.2006, 20:22

Original geschrieben von Niels

Sag mal Shewolf hast Du da irgendwo eine Heinzelmännchenbrigade im Einsatz?


Nein, aber viele wunderbare Tippgeber und anregende Gespräche mit Freunden, an denen ich "wachsen" kann... (**)

Mal ehrlich, der Köcher hat viele Väter: Niels mit der "Ungar"-Idee, Andrew mit der Modellkorrektur, Michael mit dem Wachs, Horsebow & andere mit ihrem Perfektionismus beim historischen, Benzi mit der Gegenmeinung :) also vor dem FC hab ich nie ein Stück Leder bearbeitet, fühlt Euch also bitte alle mitverantwortlich für meine "Taten". :knuddel Das finde ich so toll am FC, den Austausch und die Synergieeffekte, die dabei freiwerden. Dafür muß man auf Managerseminaren viel viel Geld bezahlen.

La Croix: ja der Köcher ist aus zwei Teilen. Das eckige Teil habe ich naß über einen Balken gebogen und in situ trocknen lassen. Stützen sind gar nicht drin, um Gewicht zu sparen.
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Beitrag von LaCroix » 21.03.2006, 11:01

Es hat mir keine Tuhe gelassen gestern nacht und ich hab ein wenig herumexperimentiert.

Habe mal ein kleines Stück Leder versucht, nachner stunde einweichen über eine kante gespannt und getrocknet, nachher im Ofen einige male mit flüssigem Wachs übergossen.

Ich hab das gefühl, das das Wachs nicht richtig tief eingezogen ist (warscheinlich ist das Leder nicht warm genug gewesen), trotzdem ist die Kante recht schön&stabil geworden. Wenn ich es länger gewässert hätte, wäre sie vielleicht scharfer geworden, versuch macht kluch.

Habe mir dann aus Papier ein Schnittmuster zu deinem Köcher überlegt, bin aber verzweifelt, weil ich das einfach nicht aus einem Stück ohne zusätzliche Nähte hinbekommen habe :D Ich sehe, du hast es eh nicht so gemacht.

Bringt mich zur nächsten frage...

Woher hast du das Design? Ich habe all meine Quellen durchsucht, aber nur hinweise auf runde Köcher gefunden, keine auf einen eckigen Oberteil. Gabs da irgendwas oder ist das interpretation.(Will nicht meckern, mir gefällt er, aber ich bin neugierig...)

Kleine Bilderflut:

Ein gefundener Metallrahmen eines ungarischen Köchers. Leider nicht vollständig, er müsste deutlich länger gewesen sein. Und er steht hier kopf! Doofer Fotograph!

Folgende abmessungen... wenn die Pfeilspitze rechts (ungarische Standardspitze) 1 Einheit breit ist, dann ist der oberteil 4,5 und der intakte "Hals" (das einzige unzerstörte Teil) 3,5 Einheiten breit

Der obere Teil ist rund 3,5 Einheiten hoch, die Fragmente des Unterteils, so wie hier aufgelegt sind 12 Einheiten hoch und am Boden 7 Einheiten breit.

Das ergäbe eine Gesamthöhe von 15 "Einheiten", wenn wie am Bild 1 Einheit "Luft" von der Spitze zum Deckel ist.

So eine "Einheit" müsste irgendwo zwischen 2 und 3 Zoll liegen, je nachdem, wieviel von der Pfeilspitze weggerostet war.

Also haben wir original: (in Klaqmmer der mittelwert) oben 9-13 (11) Zoll durchmesser, Hals 7-10 (8,5) zoll, boden 14-20 (17) zoll und eine gesamtlänge von 30-45 (37,5) zoll

Dein Köcher sollte also von den Maßen ziemlich genau sein.

[url=http://www.fletchers-corner.de/cpg/albums/userpics/12181/Pic00892.jpg]
Bild[/url]

Mite dem Dach waren die leute sogar noch extremer: hier eine Köcherverkleidung (weiß nicht genau woher, aber zeitgenössisch (+/-50 Jahre) Dieser Köcher war oben rund und hatte sogar eine "Markise" vorm Dach :D

[url=http://www.fletchers-corner.de/cpg/albums/userpics/12181/Pic00893.jpg]
Bild[/url]
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RE:

Beitrag von Atheos » 21.03.2006, 12:52

Original geschrieben von LaCroix

Mite dem Dach waren die leute sogar noch extremer: hier eine Köcherverkleidung (weiß nicht genau woher, aber zeitgenössisch (+/-50 Jahre) Dieser Köcher war oben rund und hatte sogar eine "Markise" vorm Dach :D

[url=http://www.fletchers-corner.de/cpg/albums/userpics/12181/Pic00893.jpg]
Bild[/url]



Ich kenn die Dinger nur aus dem Buch "Pfeil und Bogen zur Merowingerzeit", womit der Zeitraum so ca. 7oo nChr. sein dürfte.
Wobei der einzige mit einem Deckel aus einem Grab in Altdorf stammt.
Die Köcher der Ungarn, Awaren und Hunen aber als offen beschrieben und skizziert werden, und die Köcher waren aber allesamt flachoval.

@ shewolf: Der Köcher sieht toll aus, aber du machst sowieso lauter tolle Lederarbeiten. Ich lass mich beim Bau meiner Köcher immer gerne von deinen Anleitungen Inspirieren :anbet .
Das Bogenschießen war so einfach, bevor wir alle anfingen nachzulesen, wie wir es tun sollen.

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RE:

Beitrag von shewolf » 21.03.2006, 14:23

Original geschrieben von LaCroix

Ich hab das gefühl, das das Wachs nicht richtig tief eingezogen ist (warscheinlich ist das Leder nicht warm genug gewesen)



Ja. Du mußt das heiße Wachs mit einem Pinsel auftragen, und dabei die Stelle mit einem Haarföhn/Heißluftpistole anwärmen! Das Wachs wird dann völlig einziehen, Reste abwischen.
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Beitrag von LaCroix » 21.03.2006, 15:12

Ich hatte das Leder gemeinsam mit dem wachs im Ofen, hatte aber Angst, es zu überhitzen und zu schrumpfen. Das Wachs lief flüssig vom Leder runter, hat aber scheinbar nur den ersten halben mm oder so durchdrungen...

Noch ne Frage, wie hast du die Längsnähte gemacht? uberlappend, Stoß oder wulstnaht?

Die Naht zum verbinden der 2 Teile sieht ja aus wie eine stoßnaht, aber die Längsnaht sieht man so schlecht.
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Beitrag von shewolf » 21.03.2006, 17:56

Die Nähte sind überlappend, weil das leder so dick ist. Auf Stoß war mir nicht stabil genug, und wulst wäre zu dick geworden.

Auf der Rückseite habe ich die falsche Seite nach oben gucken lassen, ist halt so richtig Trial-and-Error wenn man am Objekt entwickelt. Beim nächsten Versuch weiß ich es dann besser... :-)

Zur form: ich habe ein paar Abbildungen, auf denen mir die Form gefiel. Mangels Fundlage (die paar erhaltenen Eisenteile können kaum represäntativ sein, wenn der bogen die Hauptwaffe war) war ich dann beim Entwurf ungebunden und konnte die Köcherform nach Vorstellung der Künstler gestalten.
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Beitrag von Mongol » 21.03.2006, 18:48

Auf Stoß ist schon stabil genug - du muß ja bedenken, daß die Nahtbelastung verteilt ist. (Was z.B. bei Aktentaschen hält reiucht auhc für Köcher)
Allerdings ist es auch ein bissl Arbeit, alle Löcher sauber von Hand zu stechen und dann noch zu vernnähen...
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Beitrag von LaCroix » 22.03.2006, 10:57

Habe gestern mal weiter an meinem Köcher rumgeplant, und habe mir nochmal den Metallrahmen angesehen und ein Modell davon gebaut:

Rechts das Unterteil laut dem Aufgelegtem Muster des Museumsbildes. (der obere Konus ist ebenfalls nach museumsmaßen, liegt hier aber leider am falschen Köcher, hab ich erst jetzt bemerkt, sorry)

[url=http://www.fletchers-corner.de/cpg/albums/userpics/12181/Pic00894.jpg]
Bild[/url]

Dieser Köcher hatte bei rund 90 cm länge unten einen Durchmesser von guten 45cm!

Klar, er ist unten nicht rund gewesen , aber so ein Teil wäre total unpraktisch gewesen zu Pferd, denke ich mir. Auf Darstellungen ist der Köcher ebenfalls meist fast gerade dargestellt.

Habe mir darauf hin das Fundstück nochmal angesehen, und bemerkt, das ein Teil ja relativ unversehrt ist ( das Halsstück).. der winkel dieses Teils zeigt nur ~15° nach aussen, das würde in einem Köcher wie das linke Modell resutieren, was shewolfs form ziemlich genau entspricht. Der Boden ist dann nur noch ca. so breit wie das Kopfteil.

Warscheinlich war er unten noch ein wenig breiter (oder oben schmäler, ist meiner meinung deutlich zu steil), auf Bildern ist er unten ca 20-30% breiter als oben.

Ausserdem habe ich auf den Darstellungen häufig folgendes Muster entdeckt:

(hier von der Zeichnung, ist abar auch auf alten quellen drauf)
[url=http://www.fletchers-corner.de/cpg/albums/userpics/12181/men.jpg]
Bild[/url]

Das sieht für mich aus wie Lederstreifen, wobei das eventuell Laschen sein könnten, um den Köcher vorne zu öffnen. Könnten auch nur Schmuckapplikationen sein.

Irgendeine Info darüber?
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Beitrag von Ahenobarbus » 22.03.2006, 13:19

Hallöle,
kleine Info zu der Köcherform. Man findet sie auch auf Reliefs der Parther und Sassaniden - der Ursprung müsste bei den Persern liegen; grober Zeitrahmen also ab 300 v. Chr. - gesichert ab 50 v. Chr.

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Beitrag von shewolf » 22.03.2006, 18:08

La Croix: das Bild habe ich auch, schau mal die Form! Unten oval und oben eckig...

Der Köcher und die Laschen sind der Fantasie des Zeichners entsprungen, es gibt nun mal keine erhaltenen Köcher! Aber die Ungarn haben Gürtel, Taschen Stiefel, Pferdegeschirre verziert, Palmetten und florale Motive ("Lebensbaum") tauchen da immer wieder auf. Warum sollten die Köcher da blank sein?

Was macht übrigens Dein Wachsleder? Klappts mit dem Fön?
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Beitrag von Mongol » 22.03.2006, 18:09

Es gibt wohla auch Funde von Cuman-Köchern, die ähnlich wie Catquiver auch unten zu öffnen waren. Mit einer Aussage "rein ungarisch" muß man schon recht vorsichtig sein ;-)
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Beitrag von LaCroix » 22.03.2006, 18:19

Das bild ist das einzige, das ich kenne, das entfernt eckig oben aussieht, die meisten sind auch oben oval. (wie z.b die in dem Buch da ich eingescannt zur verfügung gestellt habe.)

Ja, das Leder funktioniert, ich muß mir
"nur" noch ein schnittmuster zurechtlegen und ich lege los. Ich werde mich wohl in der form an dieses Buch anlehnen. Also ungefähr die Proportionen von deinem Köcher, aber oben Oval.

Ich denke auch eher , das es Verzierungen sind, 4-5 Schlaufen öffnen um nachzuladen halte ich für zu umständlich. auf einem alten bild hab ich dieses muster grob gezeichnet gesehen, warschienlich haben die meisten künstler dies einfach übernommen... Werde versuchen, diese mit Lederstücken nachzubilden.

Die frage ist, ob das gut rüberkommt, wenn die nach dem einwachsen die selbe Farbe wie der Restköcher annehmen...
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Beitrag von shewolf » 22.03.2006, 18:25

... öffenen brauchte man die Köcher nicht. Die Pfeilenden wurden in ein Seidentuch gehüllt und so reingeschoben. Klappt super, schont die Federn & verhindert auch noch das klappern (beim anschleichen *lach).

also doch eher Zierde.

Ich habe noch einige andere Abbildungen, aber gerade keine Zeit zum hochladen. Nächste woche mach ich das mal...
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Beitrag von Mongol » 22.03.2006, 18:33

Hier mal ein Beistpiel von dem was ich meine:

[url=http://www.fletchers-corner.de/cpg/albums/userpics/10240/em322nz02.jpg]
Bild[/url]

Der Köcher dieses Cuman-Kriegers geht oben wie unten aufzuklappen...
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Beitrag von LaCroix » 24.03.2006, 09:48

Soo, ich habe das Schnittmuster nun fast fertig, am WE gehts vorraussichtlich los (wenn ich Zeit neben dem Zirkuslektionenkurs finde). Bitte alle Daumen und Zehen ganz fest drücken... :D

Das hier ist die Vorlage:
[url=http://www.fletchers-corner.de/cpg/albums/userpics/12181/Quiver.jpg]
Bild[/url]

Ich hätte vielleicht ein Kuhfell nehmen sollen, dann würde es noch ähnlicher werden, aber ich habe vor, mir einige Bronzeteile zu gießen, um den Köcher zu verschönern (Die Querlaschen sollen Bronzeenden bekommen, und eventuell eine Deckplatte über dem Eingriff wie auf dem Bild weiter oben). Eventuell kann ich ihn ja noch mit einem dünnen Ziegenfell "beziehen".

Geplante Maße:
36 Zoll länge
Boden oval 7,5"breit
Hals oval 5" breit
Dach oval 6 1/4" breit

Der obere Teil ist 7 zoll lang und entspricht damit dem ungefähren Verhältnis von 1:4, das ich auf den meisten Bildern gefunden habe.

Dadurch kann ich Pfeile von 29-35 Zoll Gesamtlänge "greifbar" unterbringen.
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