Daumenring

Technik und praktische Umsetzung
benz

Beitrag von benz » 08.02.2007, 11:22

Klingt super Niels, ich meine Deine Fortschritte mit der Daumentechik, wie genau führst du sie aus? Mit Ring oder ohne, verriegelt der Zeigefinger den Daumen? Wie hast du das Problem, den Pfeil oft zu stark gegen den Bogen zu drücken, lösen können?

liebe Grüße benzi

Niels

Beitrag von Niels » 08.02.2007, 12:21

Benzi, ich habe zwar, Dank Steppi, einen Ring liegen, schieße aber ohne. Am Anfang musste ich den noch zarten Bürodauem tapen, inzwischen geht es blank und ohne hinderlichen Schnickschnack.

Ja der Zeigefinger wird über den Daumen gelegt und verriegelt so. Beim Release schnippt dann der Daumen aus dieser Veriegelung vor. Kann man auch ohne Bogen gleich vor dem PC ausprobieren. Einfach den Daumenfingernagel locker hinter den Zeigefinger klemmen und schnipps.

Ein wenig klemmen ist ja ganz gut (wegen Fahrtwind und Geruckel auf dem Pferd). Die entscheidenden Tipps dazu gab mir dann aber Steppi. Den Daumen exakt im 90° Winkel (also nicht verkantet) an die Sehne legen, unter den Nockpunkt nocken und den Daumen knapp unter dem Pfeil (vielleicht sogar mit 1-2 mm Abstand anlegen), jedenfalls den Pfeil dort nicht klemmen. Er bekommt durch den fest dagegen liegenden Zeigenfeiger von der anderen Seite auch genug halt.

Und dann der allerwichtigste Tipp von ihm: NICHT ENTMUTIGEN LASSEN. Natürlich gehen die ersten Pfeile schon auf kurze Distanz einen Meter recht neben das Ziel. Der Körper muss sich die Sache mit dem rechts aufgelegten Pfeil und so weiter, erst mal einprägen. Wie gesagt, inzwischen kann ich sogar zwischen den Techniken hin und her wechseln. Es hat mit dem Daumen ganz Anfang ein paar Serien gedauert und die Treffer rückten immer dichter an die Scheibenmitte.

Inzwischen treffe ich mit dem Daumen annähernd so gut, wie mit der alten Technik. Wobei mediterran noch einen Tick präziser ist.

Meine Pfeile passen aber auch noch nicht so recht und klacken beim Daumenschießen noch deutlich, während sie beim mediterran schießen gut auf den Bogen abgestimmt sind. Die Erklärung dazu findest Du in diesem Thread weiter vorn. Die Pfeile sind wohl schneller und sollten besser steifer sein, um das Abschlagen am Bogen zu verhindern. Da werde ich noch weiter rumexperimentieren.

benz

Beitrag von benz » 08.02.2007, 12:46

Niels, berührt Dein Zeigefinger den Pfeil?

Und, ich geh recht in der Annahme, daß sich an Deinem Bogen KEIN Nockpunkt befindet, gell :D also die Frage ob Du über diesem oder unter diesem einnockst erübrigt sich dann wohl...

Da ich keine Klemmnocken schieße, bin ich praktisch gezwungen den Pfeil mit dem Daumen gegen den Nockpunkt zu drücken, anders wüßte ich nicht, wie der Pfeil auf der Sehne bleiben sollte.

Die ersten Schüsse ohne Ring fühlen sich lustig an gell, wie wenn Dein Pferd auf Deinem Daumen gestanden hätte :)

Ahenobarbus
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Beitrag von Ahenobarbus » 08.02.2007, 13:47

@Nils
ich überlege schon lange, ob ich mich mit dem Daumenring anfreunden soll oder nicht. Zwar schreibt Junkelmann, dass die Technik in der Spätantike aufkommt (unter dem Einfluss der Steppenvölker), doch gibt es Funde von diversen Daumenringen aus der Zeit um Chr. Geburt, im Zusammenhang mit Auxilia-Bogenschützen. Ich werde ihn mal in Xanten fragen, wenn er sich bei uns sehen lässt.

Korrigiere mich bitte, wenn ich falsch liege, doch wie stark sind denn die Bögen, die man mit Daumenring spannen kann. Die meisten Bogenreiter schiessen doch eher mit relativ schwachen Bögen um die 40/45#. Die Sassaniden benutzten eher schwache Bögen (Quellen sprechen von schwachen Bögen - aber was war, absolut gesprochen, denn dann stark oder normal????).

Gibt es denn keine verlässlichen Werte/Zahlen über die Zugkraft der Reiterbögen, egal ob Skythen, Sassaniden oder Mongolen/Hunnen/Tartaren etc.

Ahenobarbus

benz

Beitrag von benz » 08.02.2007, 13:53

@Ahenobarbus
also 50# sind schon nach kurzer Übungszeit auch ohne Ring möglich, einen stärkeren Bogen hab ich nicht, aber mit Ring sollte es da keine Grenze geben, die unter der des mediternanen Ablasses liegt.

Niels

Beitrag von Niels » 08.02.2007, 15:22

@ Benzi

Ja der Zeigefinger liegt sogar recht fest an. Das ist ein stabilisierendes Element, wenn nicht gar das stabilisierende Element bei diesem Kosntrukt. Eine gute Sache für das Reiten zusätzlich zur günstigeren Rechtsauflage (siehe Thema Fahrtwind). Es ist mE eben DIE Reiterbogentechnik. Dieser Druck des Zeigefingers löst sich aber schlagartig mit dem beschriebenen Auschnippen beim Lösen.

Nein, Du täuschst Dich, seit ich auch mit dem Daumen schieße, habe ich einen dezenten Nockpunkt aus gewickkeltem Heftpflaster dran, unter den ich untersetze. Dadurch hängt der Pfeil erstmal in richtiger Position und dann kommt ja quasi in einer Bewegung auch der Außendruck durch den Zeigefinger dazu. Der Pfeil sitzt dann sehr fest, da verrutscht nix mehr.

Der Daumen klemmt dabei kein Stück. Das wäre sicher auch nicht günstig wenn er das täte (siehe oben zu Steppis Tipps).

@ Ahenobarbus
Soweit ich weiss, spannt man im asiatischen Raum ordentlich stramme Teile mit dem Daumen. Bei deren Wettkämpfe (Mongolei, Korea usw.) stehen die Ziele ja auch immer irre weit weg.

Leider kenne ich auch keine Angaben zu Zugewichten historischer Reiterbögen für die Zeit im und vor dem Frühmittelalter. Ich glaube auch nicht, dass man da was an konkreten Zahlen in im Verlauf der weiteren Forschung erwarten darf.

Die Daumentechnik begrenzt das Zuggewicht nach meiner Erfahrung nicht. Eher das Gegenteil ist der Fall, eben durch die Daumenringe.

Die Verwendung auf dem Pferd ist es wohl eher, die begrenzt und auch die fehlende Notwendigkeit allzu hoher Zuggewichte.

Ich würde mich dem Thema so nähern:

1. Der Versuch auf dem Pferd (wenn es um berittenes Schießen gehen soll). Junkelmanns diesbezügliche Tests ergeben dabei gut handhabbare Stärken von 25-35 kg. Edward Mc Ewen, der Bögen rekontruiert und getestet hat, konnte zwar auch 50 kg vom Pferd schießen, aber nicht oft und das treffen ließ auch zu wünschen übrig. Ich halte dies (also die 25 - 35 kg) aufgrund eigener Erfahrung für das oberste Limit. Die hohe Körperspannung ist bei zu starken Zuggewichten auf dem Pferd einfach zu nachteilig.

2. Schriftliche Quellen zur Taktik (zum Beispiel des Strategikon von Maurikios). Ich muss ja auch gar keine 80 lbs schießen, um aufzutauchen, schnell(!) und in der Bewegung aus kurzer Distanz Pfeile in die gegnerischen Reihen zu schicken, um schnell wieder zu verschwinden. Eine günstige Distanz müsste auf dieser Grundlage ermittelt werden, wo man gut trifft, nicht Opfer gegnerischer Sperrwürfe wird usw.

3. von dieser Entfernung ausgehend dann evt. Beschusstest an den Schutzwaffen der jeweiligen Gegner (wobei vernünftige Beschusstests schon wieder ein Thema für sich sind). Interessant wäre da z.B. die Problematik der ottonische Panzerreiter. Die gelten nach bisherigen Wissensstand, als diejenigen, die den Ungarneinfällen etwas entgegensetzen konnten. Würde man nun realistische Beschusstests auf ein Rüstung der ungarischen Gegner am Beginn des 10. Jhdt. und auf eine Rüstung der Panzerreiter am Ende des 10.Jhdt. (vorausgesetzt, man kann diese Schutzwaffen so genau rekonstruieren), könnte sich ja vielleicht ein halbwegs vertretbarer Minimumwert (da gehen die Pfeile noch durch) und enstprechender Maximumwert (da gingen viele Pfeile nicht mehr durch) für das Zuggewicht ergeben.

Aber wie gesagt, wirklich verlässliche Werte im Sinne das steht's oder der gefundene, aber leider schon recht zersetzte Bogen bzw. das Fragment hatte xxx lbs gibt mE es nicht.

Ahenobarbus
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Beitrag von Ahenobarbus » 08.02.2007, 16:05

@Niels
ich bin ja eher so was wie ein Ketzer bei den Römern. Ich trage einen Schild, was ja fast schon ein Sakrileg ist, da es nicht überliefert ist, aber irgendwie scheinen meine Gefühls- und Bauchdinge recht passend zu sein.

Unser Beschußtest, den ich ... sagen wir es mal diplomatisch, etwas unrealistisch finde, zeigt, dass ein römischer Segmentpanzer zwar perforiert wird(70#, direkte Flugbahn) aber der Treffer nicht unbedingt tödlich sein mußte. Aber das ist, glaub ich, auch nicht das vorrangige Ziel gewesen. Bei den Massen an Pfeilen, die auf einen Gegner hagelten, wird schon irgendwas eine ungedeckte Stelle getroffen haben, also reichten "leichtere" Bögen völlig dazu aus ... ich schweife wieder ab :bash :bash ... aber dieses Jahr machen wir einen anderen Test mit leichteren Bögen.

Ich dachte, da man einige Skythenbögen im Original gefunden hat, und sicherlich auch mongolische Bögen, müsste sich darüber was finden.

Niels

Beitrag von Niels » 08.02.2007, 16:52

Gefunden schon. Gerade bei der kürzlich vom Team um Parzinger gefundenen skythischen Eismumie lag ja ein kompletter. Das Problem dürfte sein, dass man nach Aussage unserer versammelten Bogenbaufachleute ja nicht mal bei einem Langbogen (also einem einfachen Stück Holz) Rückschlüsse auf das Zuggewicht ziehen kann, selbst wenn man den sehr genau untersucht.

Das erscheint mir auch nachvollziehbar. Schon nach deutlich weniger Jahren, als der tatsächlichen Liegezeit der Gegenstände, dürfte der Bogen schon nicht mehr so recht gut zu schießen sein. Und Rückschlüsse allein von Form, Dicke, Jahresringen und solchen Dingen funktionieren wohl schon bei Langbögen nicht so gut.

Bei so komplizierten Konstruktionen, wie den Komposits, deren Bestandteile zum Teil auch noch aus sehr leicht vergänglichen Materialien bestehen, dürfte das Ganze dann noch mal ungleich schwerer, im Ergebnis also nicht seriös machbar sein.

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Beitrag von Snake-Jo » 10.02.2007, 13:43

@Ahenobarbus: In der TBB Vol. 2 stehen einige Werte für authentische alte Bogen drin: Maximum war ein Tartarenbogen: 150 lb/ 34-36"

Der Khotan-Nachbau von Grocer hatte 50 lb/ 30"

Ansonsten gibt es noch die Sammlung von Zaitlinger. wahrscheinlich auch mit ein paar Daten zum Zuggewicht.

Eigene Erfahrung mit dem Daumenring: Am Anfang der Umstellung schaffte ich wesentlich geringere Zuggewichte. Der Daumen tat mir einfach weh. Die Belastung nur eines Fingergliedes gegenüber drei beim mediterranen Ablass ist ja auch enorm.

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Beitrag von Kyujin » 10.02.2007, 14:14

Meinen 21 kg (46 lb) Bogen kann ich auch mit dem blanken Daumen schießen, Freude macht das aber auf die Dauer nicht. Statt des harten Daumens mit Horneinlage verwendet man aber für historische Schießformen auch einen weichen Lederhandschuh, der nur die drei Finger schützt und auf der Daumeninnenseite leicht gepolstert ist.

Mal abgesehen von "A" - so etwas müßte doch für euch Reiter auch gehen?
Johannes Kolltveit Ibel
Oslo Kyūdō Kyōkai オスロ弓道協会

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Beitrag von Buddelfrosch » 10.02.2007, 14:59

Also ich hab so ca. 60 - 65 lbs. auf dem Daumen. Das geht problemlos. Die Ermüdungserscheinungen nach langem Schießen kommen bei mir zuerst wo anders.

Ich benutze nach diversten Experimenten mit Metall - und Horndaumenringen nur noch einen Lederdaumenring, wie er in etwa in der Bauanleitung hier im Forum beschrieben wird. Ist komfortabel genug und passt sich wesentlich besser dem Daumen an. Die festen Ringe sind je nach Tag und Trainigszeitraum mal zu locker oder zu fest. Bei mir jedenfalls.

Nach nun mehr über einem Jahr Trainig, fang ich auch langsam an zu treffen ;-)

benz

Beitrag von benz » 20.02.2007, 12:56

Original geschrieben von Niels

Jedenfalls klappt bei mir als Rechtsschütze die mediterrane Linksanlage des Pfeils mit der zuletzt beschriebenen "geraden" Daumentechnik, die Steppi aus Korea "mitgebracht" hat, nicht. Das habe ich schon ausprobiert. Man drückt sich mit dem Zeigefinger den Pfeil nach links vom Bogen weg.


Ich hab das Zitat mal nach hier verschoben.

Niels genau in diesem Druck sehe ich das Problem, solange dieser Druck anhält, also der des Zeigefingers auf den Pfeil, werden wir keinen konstant guten Pfeilflug erhalten. Auch das Schlagen des Pfeiles gegen den Bogen, (bei rechts liegendem Pfeil) kommt meiner Meinung nach daher, dass dieser Druck zu groß ist.

Ich denke wenn es uns gelingt eine Technik zu entwickeln, die diesen Druck minimiert, dann kann der Pfeil mit dieser Technik sowohl links als auch recht vom Bogen aufgelegt werden. Der Spinewert sollte im Idealfall dem des mediteranen Ablasses entsprechen.

Den Vorteil der Rechtsanlage bzgl des Fahrtwindes habe ich dann ja trotzdem, dazu ist dieser Druck auf den Pfeil gegen den Bogen nicht notwendig.

@Jo tolle Bilder danke

Soweit mal meine Einschätzung.

liebe Grüße benzi

Niels

Beitrag von Niels » 20.02.2007, 13:24

Benzi, da hast Du wahrscheinlich recht. Ich habe so eine ähnliche Technik wie auf den mongolischen Bildern auch schon ausprobiert. Der Pfeilflug wird verbessert, aber die Haltestabiltät leidet sehr.

Aber auch mit dem senkrechten Zeigefinger kann man den Druck gut wegnehmen, indem man den Daumen einfach nicht so stark unter den Zeigefinger hakt.

Ich denke es läuft auf eine Gratwanderung zwischen zuviel Druck - Beeinträchtigung der Pfeilflugs und zuwenig Druck - zu instabil für die Nutzung im Galopp raus. An das Optimum muss man sich dann eben heranüben. Bin fleissig dabei ... ;-) :D

Dein Hinweis hat mir diese Problematik jedenfalls nochmal schön klar und nachvollziehbar gemacht und es bestärkt mich in meinen heimlichen Vermutungen, dass nicht andere Pfeile sondern optimalere Technik die Lösung ist.

Steppenreiter

Beitrag von Steppenreiter » 22.02.2007, 14:58

Niels, bei den Koreanern habe ich gesehen, dass sie ihre Bogen ziemlich schräg halten, eigendlich genauso schräg wie die Jagdbogner.

Habs ausprobiert und schwupps der Pfeil folg sauber raus, gleicher Spine, gleicher Auszug, ähnlich schlechter Release, wie mit den Fingern...

Taran
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Koreaner

Beitrag von Taran » 22.02.2007, 19:10

Du meinst jetzt, dass der Bogen so geneigt ist, dass der Pfeil praktisch unterhalb des Bogens liegt, oder?
Taran von Caer Dallben

... και δόξα τω Θεώ !

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