Bogenschießen - der abendländische Weg

Bogenschiessen in der Praxis, mediterran, Daumentechnik u.a.
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Laird Tobias
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Bogenschießen - der abendländische Weg

Beitrag von Laird Tobias » 15.03.2004, 12:34

Hallo ihr alle,

ich habe vor kurzem das Buch "Bogenschießen - der abendländische Weg" von Clemens Richter gelesen und bin nun im Internet über ein Kursangebot von Clemens Richter gestossen. Das ist ein Kurs über 5 Tage und soll halt ein Einstieg in das von ihm beschriebene Schießen ermöglichen.
Nun meine Frage: Hat jemand von Euch ein einem seiner Kurse ggf. teilgenommen und kann mir sagen, wie der Kurs so ist??? Oder könnt ihr mir einen Kurs eines anderen Anbieters empfehlen??? Es sollte ein Kurs zum erlernen des Instinktiven Bogenschiessens sein!

Vielen Dank schonmal im Voraus und liebe Grüße aus dem stürmischen Norden!
Tobias

Nullman
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Beitrag von Nullman » 15.03.2004, 15:52

Ich hab mal hier im Forum nach "Clemens Richter"
suchen lassen. Hier mein Suchlink:

Suche nach Clemens Richter

Vielleicht hilft dir das weiter.
Der Sch?tzenverein:
Schiessen lernen, Freunde Treffen.

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Kyujin
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Beitrag von Kyujin » 16.03.2004, 17:37

Ich muss einräumen, dass ich das Buch nicht gelesen habe. Aber wie der Verfasser sich auf seiner Homepage selbst darstellt, gibt mir zu denken.

Auf mich wirkt das wie einer der nicht ganz seltenen Versuche, eine Instantversion des sogenannten "meditativen Bogenschiessens" anzubieten, die letztlich von einem sehr oberflächlichen (Miss-) Verständnis von Kyudo inspiriert ist. Ich kenne noch zwei weitere Anbieter bzw Autoren, die letztlich simples "Feld-, Wald- und Wiesen-Bogenschiessen" (Recurve oder Langbogen) mit einigen leicht verdaulichen und vermeintlich (!) "östlichen" Ingredienzien (kein Leistungsdruck, zeremonielle Vorbereitung, esoterische Ideologie) aufmotzen und damit auf der Herrigelwelle mitreiten, ohne sich die Mühe zu machen, japanisches Bogenschiessen zu verstehen und erlernen. Das würde ja etliche Jahre dauern, und man hätte kein copyright...

Ob Richter vom "westlichen" Bogenschiessen Ahnung hat, weiss ich nicht. Dass er von einem naiven Verständnis des japanischen Bogenschiessens ausgeht, das er dann auf die europäische Kultur übertragen will - da bin ich mir ziemlich sicher.
Johannes Kolltveit Ibel
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Beitrag von Archiv » 16.03.2004, 22:21

Ich möchte Kyujin´s Vermutungen nach der Lektüre des halben Buches bestätigen. Ich fand das Buch sehr oberflächlich, nirgends ist wirklich in die Tiefe des meditativen Bogenschießens eingegangen worden. So könnte mehr oder weniger jeder ein Buch schreiben, der einige Jahre Schießerfahrung hat. Ich muß allerdings gestehen, daß ich aufgehört habe zu lesen, als der Autor schrieb, er würde mit einem 35# Bogen auf die Jagd gehen wollen, weil dieser einen Strohballen durchschossen hatte. :bash :motz
Das war für mich genug, um das Buch zu zu klappen.

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erleuchtung garantiert, oder?

Beitrag von Hunbow » 16.03.2004, 23:08

ich glaube, dass die wenigsten von uns die ernsthaft am thema bogenschiessen interessiert sind "nur" ein buch zum thema lesen werden und sich dann sklavisch an das gelesene klammern.

daher glaube ich, dass es zu recht seinen platz in den literaturlisten hat.
mir jedenfalls hat das buch und die illustration gut gefallen. das er sich nicht über bogenparadox und spinewerte ausgelassen hat finde ich in diesem falle vernachlässigenswert.

auch wenn es vielleicht von dem ein oder anderen als "oberflächlich" empfunden wird. mich hat er mitgenommen auf seine reise und letztendlich so das interesse nach "mehr wissen" geweckt.
"Der starke Mann trotzt dem Regen. Der kluge Mann stellt sich unter."

Filmtipp:
http://www.struckthefilm.com/

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Beitrag von Kyujin » 17.03.2004, 10:22

Alles was den Hunger nach mehr Wissen weckt, ist erst mal gut - da sind wir ganz einig!

Allerdings weiss ich aus meiner japanischen Ecke, dass eben die allermeisten Leser etwa von Herrigels Klassiker der "alternativen" Bogenliteratur nicht ernsthaft am praktischen Bogenschiessen interessiert sind, sondern sich mit dem Gelesenen begnügen - und nun glauben, zu "wissen". Mir ist nicht selten von solchen "Wissenden" (die niemals einen Bogen in der Hand hatten) erklärt worden, ich könne kein richtiges Kyudo machen, wenn ich am Treffen interessiert sei. Dass Kyudo erst einmal richtiges Bogenschiessen ist und der mentale/geistige Aspekt nur in der Auseinandersetzung mit der schwierigen Schiesstechnik und erst auf einem bestimmten Niveau wirklich zum Tragen kommt - all das kann man diesen Leuten nicht vermitteln. Genau diesem Publikum ist aber auch richtiges Zazen viel zu anstrengend und schmerzhaft.

Die kritisch-fachliche Neugier muss man wohl schon mitbringen, dann kann man die Spreu vom Weizen trennen und Nutzen aus jedem Buch ziehen - und wenn man feststellen muss, dass der Verfasser irrt.

Es gibt nun aber Bücher, die sich gezielt an diejenigen wenden, denen das geheimnisvoll wissende Raunen lieber ist als fundierte praktische oder auch theoretische Information (die würde ja auch auf Seiten des Verfassers überprüfbare Kenntnisse und Können voraussetzen). Der erfahrene Bogenschütze mag auch hier nützliche Denkanstösse gewinnen können - der unerfahrene Neuling aber muss alles für bare Münze nehmen.

Wenn das noch mit Seminaraktivitäten gekoppelt wird, beschleicht mich ein ungutes Gefühl. Denn wenn weder die praktische Anleitung (wie hier von benz geäussert) noch der ideologische Überbau (das ist mein deutlicher Eindruck aus dem Marketing für das Buch) wirkliche Kompetenz vermittelt - was soll dann da verkauft werden?

Um das Argument vorwegzunehmen - ich sollte wohl erst das Buch lesen und dann eine Rezension schreiben. ;-)
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Laird Tobias
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RE:

Beitrag von Laird Tobias » 17.03.2004, 11:27

Original geschrieben von Kyujin

... - ich sollte wohl erst das Buch lesen und dann eine Rezension schreiben. ;-)


Also ich kann vorbehaltlos sagen: Ich fand das Buch klasse! Ich muss allerdings auch ehrlich zugeben, dass man eine wirkliche Anleitung zum Schießen nach dem abendländischen Weg in dem Buch vergeblich sucht.

Ich will Clemens Richter und sein Buch jetzt um Gottes Willen nicht verteidigen und auch niemanden in seiner Sichtweise angreifen oderso, ich habe da aber einen kleinen Denkanstoss zu den "Vorwürfen", das dieses Buch aus Halbwissen zur Meditation und zum Zen entstanden ist:
Ich denke nämlich schon, das dieses Buch sehrwohl eine Art des erlebbaren meditativen Bogenschießens beschreibt. Allerdings wahrscheinlich nicht nach den Wegen des Zens und des Kyodos (ich kann es nicht genau sagen, dafür habe ich mich bis jetzt leider zu wenig mit dem Zen und dem Kyodo auseinandergesetzt). Ich denke eher, dass der Verfasser des Buches in der Art, wie er seinen Langbogen schießt eine Art Meditation für sich selber gefunden hat. Eine Art, die ihm hilft, alles was um ihn herum ist zu vergessen und die es ihm ermöglicht, sich nur mit sich und seinem Bogen zu befassen. Ich denke, das man für eine solche Art von Meditation nicht unbedingt den Weg des Zens gehen oder Kyodo-Schütze sein muss, wenn ich einen guten Tag habe und ich es schaffe mich ganz auf meinen Bogen einzulassen (z.Zt. noch ein Olympischer Recurve von Stolid Bull Bows) dann gelingt mir so eine Art der Meditation auch ab und zu. Dann paßt beim schießen einfach alles zusammen und man hat nicht mehr das Gefühl, einfach nur einen "Fremdkörper" in der Hand zu haben, mit dem man ein paar Pfeile ballert...

Also kurz gesagt: ich denke schon, das dieses Buch seine Daseinsberechtigung hat. Eine Schritt-für-Schritt Anleitung sucht man allerdings in der Tat vergeblich.

Ratzi
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mein Senf

Beitrag von Ratzi » 17.03.2004, 12:30

Ich hab das Buch "Bogenschießen - der abendländische Weg" auch gelesen, und ich würde es einem Anfänger, der das Bogenschießen lernen will, nicht unbedingt empfehlen. Da fielen mir aus dem Stehgreif so einige Bücher ein, die hierfür weitaus besser geeignet wären.

Ob das Buch an sich was taugt, richtet sich danach, was für Erwartungen man hat. Nachdem ich die Einleitung gelesen hatte - Autor macht mit seinem Doppeldecker(!) eine Notlandung(!) im Nebel(!); aus dem Nebel taucht zufällig ein Kloster(!) auf; Im Innenhof des Klosters ist ein Mönch, der mit einem Langbogen schießt, der zufällig vom Autor gebaut wurde(!) - wusste ich was mich erwartete, und stellte mich darauf ein, statt knallharter Fakten eine interessant erzählte Story zu lesen. So hatte ich dann durchaus Spaß beim Lesen.

@Hunbow:
Die Illustrationen - vor allem die Fotos - haben mir auch gut gefallen. Ich weiß noch, wie ich bei manchen Fotos gedacht hab: "Mann, muss es da kalt gewesen sein!"... ;-) ;-) ;-)

@Laird Tobias:
Die Kurse von Clemens Richter kenne ich nicht und kann deswegen kein Urteil dazu abgeben. Wenn ich dir einen Einsteigerkurs empfehlen sollte, dann würde ich dir raten, mal bei bogenschuetze.de vorbeizusurfen. Da hab ich meinen Einsteigerkurs gemacht, und das war ein super Erlebnis. :-)

Alle ums Kill,

Ratzi
If at first you don't succeed, try, try again. Then stop. No use making a damn fool out of yourself. (W.C. Fields) ;-)

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Beitrag von Kyujin » 17.03.2004, 12:55

Ich sollte wie gesagt das Buch erst mal lesen, bevor ich es verreisse ;D aber ein Punkt ist mir doch wichtig:

Kyudo hat so gut wie nichts mit Zen zu tun.

(Und die realen historischen Berührungspunkte haben nichts mit den landläufigen Vorstellungen von "meditativem Bogenschiessen" zun tun!)

Allein darum gehen Versuche, einen zum angeblichen "Zenbogenschiessen" analogen westlichen Weg zu (re-) konstruieren von falschen, weil völlig fiktiven Voraussetzungen aus.

Das Aufgehen im Tun hängt in der Tat nicht vom Bogentyp ab und kann schlicht in jeder Tätigkeit gefunden werden: Zen-Mönche üben eben kein Bogenschiessen, die putzen Klos! Aber biete mal ein Seminar zu "Zen in der Kunst des Kloputzens" an... das verkauft sich halt nicht so gut.

Religiöse Mystik hat mit dem Bogenschiessen traditionell weder in Japan noch in Europa besondere Verbindungen. Unser japanischer Kyudolehrer zog es vor, zur Beschreibung der mentalen Aspekte in westlicher Sprache den "Flow" des Psychologen Csikzentmihaly zu zitieren. Gutes Buch, nicht mehr ganz neu, aber sehr empfehlenswert. Wieder ist der Punkt: Flow stellt sich besonders dann ein, wenn man etwas Schwieriges ganz auf der Höhe des eigenen Könnens tut. Dazu gehört Kompetenz, technische Kompetenz. Kunst kommt auch beim Bogenschiessen von Können!

Wer die technischen Grundlagen - ob beim japanischen Bogen, bei deinem olympischen Recurve oder bei der Violine - nicht bis in die Details beherrscht, wird keine "Kunst" produzieren. Und selbstgefälliges "Wohlfühlbogenschiessen" hat nichts, aber auch gar nichts mit Geistigkeit zu tun. Und darum unterrichten auch japanische Kyudolehrer das Schiessen in allen seinen schwierigen, anstrengenden und schönen Details - Schritt für Schritt!

Ich bin sicher, dass ein kompetenter olympischer Bogenschütze mehr von den geistigen Dimensionen des Bogens erfährt, als diejenigen, die sich der eventuell schmerzlichen Auseinandersetzung mit dem immer begrenzten eigenen Können, dem Treffenwollen, Ego und Stress erst gar nicht stellen.

@ Laird Tobias: Deine eigene Beschreibung deines konkreten Erlebens scheint mir viel näher an der Wahrheit des Bogens zu sein, als wohlfeile Zitate von Meister Eckhart oder Bodhidharma.

Der entscheidende Punkt: Dieses Erleben lässt sich eben nicht unterrichten und schon gar nicht verkaufen. Das Schöne: Wenn du einfach nur von ganzem Herzen trainierst und beständig daran arbeitest, jeden Aspekt deines Schiessens zu verbessern, kommt das irgendwann ganz von alleine.

Im Kyudo nennen wir das yumi no kokoro, "Herz des Bogens". Aber das kommt nicht nach 5 Tagen - eher nach 50 Jahren.
Johannes Kolltveit Ibel
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RE: mein Senf

Beitrag von Laird Tobias » 17.03.2004, 14:50

Original geschrieben von Ratzi

@Hunbow:
Die Illustrationen - vor allem die Fotos - haben mir auch gut gefallen. Ich weiß noch, wie ich bei manchen Fotos gedacht hab: "Mann, muss es da kalt gewesen sein!"... ;-) ;-) ;-)


Du hast recht, es muss sogar verdammt kalt gewesen sein... ;-)

Original geschrieben von Ratzi
@Laird Tobias:
Die Kurse von Clemens Richter kenne ich nicht und kann deswegen kein Urteil dazu abgeben. Wenn ich dir einen Einsteigerkurs empfehlen sollte, dann würde ich dir raten, mal bei bogenschuetze.de vorbeizusurfen. Da hab ich meinen Einsteigerkurs gemacht, und das war ein super Erlebnis. :-)

Alle ums Kill,

Ratzi


Habe mir die HP gerade mal angesehen! Hört sich wirklich gut an, vor allem das Training in historischer Umgebung finde ich richtig klasse!

Laird Tobias
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RE:

Beitrag von Laird Tobias » 17.03.2004, 15:01

Original geschrieben von Kyujin

Kyudo hat so gut wie nichts mit Zen zu tun.


Okay, daran sieht man mal wie wenig ich über Zen und auch über das Kyudo weiß! Sorry, das ich das in einen Topf geworfen habe!
Aber es ist ja noch nicht aller Tage abend und man lernt ja nie aus!

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Beitrag von Kyujin » 18.03.2004, 08:12

Es gibt nur wenige, die konkrete Erfahrung mit authentischem Kyudo haben (ca 2000 in Europa, davon die Hälfte in Deutschland), was man so darüber liest, ist fast immer aus Herrigel bzw. seinen Zweitverwertern abgeschrieben. Für den Zenbuddhismus gilt ziemlich genau das gleiche, Allan Watts und D.T. Suzuki sind eben keine zuverlässigen Quellen.

Darum habe ich ja den Link zu meinem kurzen Text über das "Zenbogenschiessen" bei http://www.gungfu.de/aikido/herrigel.html angeboten, da steht das Wichtigste darüber in Kürze. Dazu gibt es einen Link zu einer ausführlichen Studie von Prof. Yamada, wo die Argumente im Detail nachzulesen sind.

Ich denke, wer diese Texte gelesen hat wird Kyudo mit sehr anderen Augen ansehen, nämlich als sehr reales traditionelles Bogenschiessen - und auf esoterische Dünnbrettbohrer in der Bogenszene weniger leicht hereinfallen.

Allerdings sehe ich, dass dieses Thema hier eigentlich OT ist - jedenfalls hat es mit Seminaren zur Schiesstechnik nur noch sehr indirekt etwas zu tun... sumimasen! Bild
Johannes Kolltveit Ibel
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