"Stellmacher / Hirtenbogen" von Wilfrid

Sammlung von Bauanleitungen zum Thema Bogenbau
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Wilfrid (✝)
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"Stellmacher / Hirtenbogen" von Wilfrid

Beitrag von Wilfrid (✝) » 10.10.2010, 23:39

Wilfrid hat geschrieben:Wo ich gerade beim Thema bin und hier ja nun auch schon noch ein paar andere vertreten sind als damals:
Hat mittlerweile mal einer so einen Bogen irgendwo gesehen ( selbstverständlich keinen von mir :-)))
Das wäre für mich sehr hilfreich
MfG
Wilfried
(Der meint, ein Kriegsbeil taugt nur zum Stämme spalten)



ravenheart hat geschrieben:@Wilfried: Du meinst Deinen "Wipp-Tiller"? Nun, ich habe ANSATZWEISE einen solchen Bogen im Bereich der Flight-Bogen gesehen - und fand da die Begründung sogar einleuchtend... Weiß leider nicht mehr, wo es war - musste aber gleich an deine "Flitzen" denken....
:)

Rabe



@ Rabe,
nun, verschiedene Elemente gibts ja auch bei verschiedenen Bögen, asymmetrischer Tiller ist ja nichts allzu ungewöhnliches, 5-eck Form gibts beim Alamannen, die Sehnenführung gibts bei ein paar Naturvölkern, in Litauen und Du hast sie in Deiner Jugend kennengelernt usw. nur alles zusammen wäre das interessante. 'Acker ,glaube ich, hat ja mal ein Bild gepostet, auf dem ähnliche Bögen geschossen wurden.

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Wilfrid (✝)
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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller - Neuauflage

Beitrag von Wilfrid (✝) » 10.10.2010, 23:46

ravenheart hat geschrieben:
@Wilfried: Magst Du ein neues Thema dazu öffnen?


@Rabe
Wenn Du die Bauanleitung nochmal einstellst, gern. Ich bin im mom gesundheitlich nicht in der Lage, soviel hintereinander geordnet zu schreiben

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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller - Neuauflage

Beitrag von Ravenheart » 10.10.2010, 23:51

Ich schau mal ob ich sie finde!

Hab erst mal das Thema neu angelegt.... :)

Rabe

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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller - Neuauflage

Beitrag von Ravenheart » 10.10.2010, 23:59

...schon gefunden:


Wilfried hat geschrieben:Die Teile heißen "Flitzebogen" oder "Bogen" und wurden so wie ich sie baue oder sehr ähnlich eigentlich je Generation und Dorf zwischen 1 bis max. 5 x gebaut. Nur zum Zeigen, das es nicht vergessen wird. Nach dem Sachsenspiegel Ausgabe Wolfenbüttel müssen sie sehr in der Region weit verbreitet gewesen sein, denn der "Eingeborene" ist auf dem Folio 40r an diesem Bogen als solcher zu erkennen. Allerdings ist dessen Bogen ein Recurve!

So’n Teil habe ich hier als Jugendbogen in Holunder an der Wand hängen. Und als Jugendbögen wurden diese Bögen die letzten 100 Jahre nur gebaut. Davor war es eine Waffe der Bauern und vor allem Schäfer, die damit das "Raubzeug" vertrieben haben bzw. erlegt. Es geht auch mehr damit, da diese Bögen mit 30 LBS ca. 800-grain-Pfeile mit Jagdspitze recht sauber verschießen. 2 Lagen je 2mm Spaltleder, Abstand 20mm frei hängend, auf 7 Schritt, werden locker durchschlagen.


Nun zur Bauanleitung:

Holz Hasel Holunder oder Esche möglichst gerade oder reflex ca. eine Handbreite länger als der Schütze, der Rohling muss so dick sein, das ein Vierrund herausgearbeitet werden kann, das der Schütze gerade noch mit der Bogenhand umgreifen kann.

Eine Randleiste von 40-50mm sollte als astreiner Streifen erkennbar sein. In der Mitte oder bis 2 Fingerbreit vom Ende dürfen Äste und Knospen sein. Bei Holunder stören Knospen nicht, bei den anderen beiden Hölzern sind sie fast tödlich.

So Baum von 8 - 15 cm Durchmesser gefunden ist, spalten. Kein Drehwuchs = klasse, ab in Schraubstock, ansonsten Brennholz. Möglichst nicht länger als eine Woche mit dem Bau warten, da das Holz zum Vortillern sonst zu trocken wird oder reißt.

Nun von der Mitte nach unten zum Stammende 1,5 Handbreit grob den Griff als Quadrat rausarbeiten . Die Rinde bleibt noch dran! Bogenmitte wird Nockpunkt-Lage!

Jetzt den oberen Wurfarm raushobeln oder schnitzen. Mit Ziehmesser und Hobel den oberen Wurfarm so abarbeiten, das eine Handbreit vom Ende der Arm noch etwas mehr als die halbe Griffbreite hat, danach auf in etwa 3/4 Griffbreite. Vorsicht, grünes Holz ist schnell zu dünn!
Dann die Höhe von der Mitte des Rohlings unter 45° beidseits gleichmäßig dem Bogenrückenverlauf folgen, bis eine Handbreit vom Ende die senkrechte Fläche halb so hoch ist wie der Griff, dann wieder zunehmen.

Den Bogen im Schraubstock umspannen, 1 1/2 Handbreit vom oberen Wurfarm den unteren genauso arbeiten. Hier bei einwenig mehr Breite und etwas flacherer Winkel und etwas weniger Höhe. Beide Wurfarm-Enden müssen sich am Ende bei gleicher Kraft gleich weit von der Ausgangslinie entfernen. War dein Holz zu trocken, hast Du jetzt zwei Teile, der Set oder Stringfollow, den Du erhalten hast, verschwindet später. Bevor Du den Bogen nach einer Woche Ruhe feintillerst, den Bogenbauch mit dünnem Leim einstreichen. Abbinden lassen, tillern, leimen, nachtillern, leimen.

Holunder und Hasel eigentlich nur aus der Breite tillern Esche mehr aus der Dicke aber auch in der Breite. Nun hat der Bogen mächtig Set!

Jetzt werde die Wurfarme vorsichtig auf „kannste gerade nicht anfassen“ erwärmt und siehe da , dat Ding ist wieder gerade. Jetzt wird frisches Fichten- und/ oder Kiefernharz drauf verteilt und durch Wärme zum Schmelzen gebracht. Soviel wie das Holz aufnimmt. Polieren und kalt werden lassen.
Den Bogen auf halbe Stehhöhe bringen und ein paar, 5 Pfeile max., schießen. Passt alles, isset gut, ansonsten tillern, sehr dünner Leim (fürs Wasser der Bogen ist sonst vielleicht zu spröde) usw.

Der Bogen ist dann fertig wenn er sich elliptisch mit leicht steifen Enden biegt, die Sehne wird mit einem Palstek oben und unten befestigt und die Standhöhe lässt sich durch verschieben der Schlingen gut einstellen.

Lass Dich nicht durch selbst 10 cm Set bei einem 2m bogen täuschen, ich musste als junger Mann an meinem Bogen damals fast Turnübungen veranstalten, um die Sehne über die Enden zu legen, das Ding hatte ca. 60 LBS bei 2,1 m länge und ca. 30" Auszug.

Ich habe mal die Bögen beim Schuss auf Video aufgenommen, die reingesteckte Energie wird bei diesen Bögen scheinbar im langen steifen Teil als Druck gespeichert, denn beim Ablass gehen die Enden erst ein bisschen nach unten, hinten, der steife Mittelteil wird gerade und länger und dann erst fliegen die Enden nach oben.

Das würde auch erklären, warum die Bögen aus der Mitte heraus brechen wenn sie brechen. Die Dinger explodieren richtig an der Bruchstelle und der obere Wurfarm( der ist der gefährdete) fliegt über den Schützen weg.

So, habe fertig…

Wilfried


...und wen's interessiert, hier der ganze damalige Thread:

viewtopic.php?f=15&t=9554

Rabe

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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller - Neuauflage

Beitrag von acker » 11.10.2010, 00:15

Jups, das war ein Foto aus den ?? 30er auf dem mehrere Frauen einen ähnlich getillerten Bogen geschossen haben.
Mal schauen ob ich es finde.
Mein Opa , gelernter Stellmacher , hatte mir als Bub auch mal einen Haselbogen gebaut .
Er hatte die gleiche Sehnenführung , also gewickelt und dann mittig über die Tips gezogen , an den Tiller kann ich mich nicht mehr wirklich erinnern -> aber noch an folgendes :
Diese Bogen wurden damals in der Stellmacherei gebaut , nicht viele und nicht sehr oft , er hatte es damals in der Lehre nur so nebenbei mitbekommen das ein Geselle ab und an einen Bogen baute .
Diese Bogen ( ich und einer meiner Onkel meinen sich daran zu erinnern) waren für Schafhirte .
Nun fragt mich nicht warum für Schafhirte , ich habe keine Ahnung ! auch vor 60 Jahren gab es keine Wölfe mehr im Sauerland. Allerdings wohl mehr Schafhirte als heute.
Das alles sind nur noch bruchstückhafte Erinnerungen .
Über Profil und Tiller kann ich nicht wirklich auskunft geben.
Gruß acker
Der junge Mensch lernt, was die Erwachsenen wissen und verlernt was er als Kind gewusst hat.

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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller - Neuauflage

Beitrag von Ravenheart » 11.10.2010, 09:39

Bei dem Flight-Bogen, den ich gesehen hatte, war die Begründung sinngemäß etwa so:

Einerseits will man bei Flight-Bogen möglichst kurze = leichte WA die bis an die Grenzbelastung ausgereizt sind.
Andererseits aber auch keinen ZU kurzen Auszug. Ein zu kurzer Pfeil fliegt weniger richtungsstabil (mit den kleinen Federn, die beim Flightschießen zur Verwendung kommen!), außerdem wird ein zu kurzer Schubweg wieder ineffektiv.

So ein "Flitzebogen"-Tiller ist nun gewissermaßen ein kurzer Bogen mit überlangem Mittelteil. Dadurch, dass dieser Mittelteil LEICHT mitbiegt, gewinnt man Schubweg / Pfeillänge, ohne den Vorteil kurzer WA aufzugeben.

Mein Kommentar:
Bei leichten Pfeilen könnte die Rechnung aufgehen! Bei schweren Pfeilen oder großen Federn bleibe ich skeptisch....

Rabe

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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller - Neuauflage

Beitrag von skerm » 11.10.2010, 10:27

ravenheart hat geschrieben:Mein Kommentar:
Bei leichten Pfeilen könnte die Rechnung aufgehen! Bei schweren Pfeilen oder großen Federn bleibe ich skeptisch....

Rabe


Ich glaub nicht, daß das bei leichten Pfeilen ein Vorteil ist. Im Vergleich zu einem kurzen Bogen hat man durch die längere und damit schwerere Sehne einen Nachteil.

Gruß,
Daniel

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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller - Neuauflage

Beitrag von Ravenheart » 11.10.2010, 10:51

hmmm... Du musst aber auch die Gewichtseinsparung durch das "weniger bewegte Holz" gegenrechnen!

Rabe

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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller - Neuauflage

Beitrag von captainplanet » 11.10.2010, 10:54

Also ich denke schon, daß der Vorteil weniger bewegter Wurfarmmasse bei gleichzeitig längerem Auszug den Nachteil einer etwas längeren Sehne deutlich wettmacht. Soviel wiegt eine Sehne auch wieder nicht.
Wohlgemerkt, wir reden von reinen Holzbögen wenn wir von "kurzen" Bögen reden. Ein Kompositbogen, der kurze Wurfarme und langen Auszug verbindet, ist hier natürlich überlegen.

Lg Georg

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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller - Neuauflage

Beitrag von skerm » 11.10.2010, 12:27

Wieso weniger bewegte Masse? ??? Wenn man den starren Bereich in der Mitte kürzer macht hat das doch keinen Einfluß auf die zu bewegende Masse.

Gruß,
Daniel

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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller - Neuauflage

Beitrag von Ravenheart » 11.10.2010, 12:38

Nee, anders herum!

Mit dem längeren Mittelteil kannst Du einen längeren Pfeil schießen (der im Flug weniger "schwänzelt") bzw. hast mehr Schubweg als bei einem kurzen Bogen.
Du musst also den Flightbogen mit dem Langbogen-mit-Standard-Tiller vergleichen.
Kurzer Bogen mit kurzem Pfeil ist eine andere "Liga"....

Rabe

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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller - Neuauflage

Beitrag von skerm » 11.10.2010, 13:09

Ahso, hab ich anders verstanden. Ich bin aber trotzdem nicht überzeugt, kann aber im Moment nicht genauer ausführen wieso.

Was ich an Holzflightbögen gesehen habe war andersrum gebaut, starr außen, biegend innen. Das muss doch einen Grund haben.

Gruß,
Daniel

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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller - Neuauflage

Beitrag von Wilfrid (✝) » 11.10.2010, 13:10

Um die Diskussion über Leistung abzukürzen:
Ca. 80-90m mit 30-50g ! Pfeilen ist leistungsmäßig kurz vor GROTTENSCHLECHT
Der Vorteil war eben , die Dinger sind auch aus miesem Holz baubar, haben einen weichen Auszug und sind sehr schnell ge und entspannt. Es reichte eben früher dazu, einen wildernden Hund zu vertreiben . Und da war den Schäfern eben ein jaulender Hund lieber als ein paar Schafe mit gebrochenen Beinen.

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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller - Neuauflage

Beitrag von Galighenna » 11.10.2010, 14:04

also wenn so ein Pfeil mal eben 50g wiegt ist der ja auch sau schwer, wenn der Bogen nur so seine 35# hat. Meine Pfeile wiegen 32g, also 540grain und das macht bei 37# Zuggewicht ein Verhältnis von 14gpp. Dabei erziele ich 130m mit meinem Hick-Massa-Bogen.
Wenn man die Reichweite vergleichen will, sollte man halt schon mit 9gpp schießen. Wenn die Pfeile noch deutlich schwerer sind, sind auch 80-90m schon keine schlechte Reichweite. Vielleicht nicht überragend gut, aber auch nicht schlecht...
Übel übel sprach der Dübel,
als er elegant und entspannt
in der harten Wand verschwand

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Re: Ungewöhnlicher Bogentiller - Neuauflage

Beitrag von Heidjer » 11.10.2010, 15:16

Ich denke auch das solche Bögen ein paar Vorteile hatten. ;)
1. Die konnte jeder Tischler,Schreiner, Stellmacher oder Böttcher schnell bauen, ohne viel Ahnung von Bogenphysik zu haben.
2. An das Holz wird keine großen Anforderungen gestellt, Esche, Ulme und Hasel waren in solchen Betrieben sicher vorhanden.
3. Die Tillerkünste zum Ausreizen der letzten Leistung aus dem Holz wurden auch nicht benötigt.
4. Weicher Auszug und Fehlertolerant im Abschuß werden auch vielen Nutzern entgegen gekommen sein.

Alles in allen ein einfacher Gebrauchsgegenstand für Hirten und sonstige Nutzer die sich allein ausserhalb von Ortschaften aufhalten mußten.


Gruß Dirk
Ein Pfeil, den Schaft gemacht aus der Pflanzen hölzern Teil, versehen mit eines Vogels Federn und einer Spitze, aus der Erde Mineral, wird von der Natur gern zurückgenommen.

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