Wie fest hält man den Bogen?

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Wie fest hält man den Bogen?

Beitrag von himself » 28.03.2010, 11:59

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Kyujin
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Re: Wie fest hält man den Bogen?

Beitrag von Kyujin » 28.03.2010, 12:43

Die Erklärung ist sehr einfach.

Du lernst (wie die Mehrzahl der deutschen kyūdōka) Heki Tō Ryū, in der das starke Drehen des Bogens im Abschuß (mit fest geschlossener - oder sogar: aktiv schließender Hand) gelehrt wird.

So gut wie alle anderen Schulen, vor allem der moderne shōmen-Stil und eben auch der Familienstil der Shibatas lehren das nicht (was wiederum mit der historischen Herkunft dieser Techniken zu tun hat).

Es gibt da so allgemein betrachtet nicht falsch/richtig, sondern nur "stilspezifisch". Der leichte Griff hatte ja auch seine historische Berechtigung. Man muß bloß wissen, in welcher Tradition man steht.

Shibatas Warnung ist nachgerade eine Standardanweisung im modernen kyūdō. Es ist auch durchaus richtig, daß die Verdrehung den Bogen belastet, besonders, wenn sie zu früh im Auszug erfolgt. Man sollte man sich einen Bogenbauer aussuchen, der zur eigenen Schießtechnik passende Bögen baut.

Anfänger tun eben wegen der mangelnden Balance zwischen "drücken" und "drehen" gut daran, erst einmal (= die ersten Jahre) einen gegen Schießfehler unempfindlichen Glasfiberbogen zu schießen. Shibata dagegen rüstet auch seine Anfänger standardmäßig mit Bambusbögen aus. Honi soit qui mal y pense.

Aber mich wundert, daß du diese sehr grundlegende Frage (tsunomi no hataraki) nicht im eigenen dōjō oder wenigstens auf einem Technikseminar eindeutig und zufriedenstellend beantwortet bekommen kannst.
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Re: Wie fest hält man den Bogen?

Beitrag von himself » 28.03.2010, 14:18

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Re: Wie fest hält man den Bogen?

Beitrag von the_Toaster (✝) » 28.03.2010, 16:11

Ja der Herr Toaster hat großes Interesse an Antworten.
Er hat aber auch ein paar Vermutungen über das gefragte.
Die behält er aber erstmal für sich, bis hier noch ein paar Posts hin und her gegangen sind...  ;)
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Kyujin
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Re: Wie fest hält man den Bogen?

Beitrag von Kyujin » 28.03.2010, 17:04

Die Antwort liget wie so oft in der Geschichte: Die Heki Ryū Chikurin Ha hat eine andere Herkunft als die anderen Zweige der Heki Ryū und schon deswegen eine andere Schießtechnik. Sie hat sich (wie auch andere Schulen) besonders auf dōsha spezialisiert, was eben eine kräfteschonende Technik notwendig macht. (In welchem Maße der Shibata-Familienstil identisch mit der Chikurin Ha ist, braucht uns hier nicht zu interessieren.) Elemente dieser Technik sind über die Honda Ryū auch in den modernen shōmen-Stil eingeflossen.

Was Shibata-Bögen auszeichnet, kann nur jemand beantworten, der sie vergleichend beurteilt und am besten auch geschossen hat. Ich habe noch keinen in der Hand gehabt und kann dazu nichts sagen. Ich habe aber schon darauf hingewiesen, daß seine besondere Position als kaiserlicher Bogenbauer (die vor allem ausländische Dokumentarfilmer so fasziniert) alleine noch keine Empfehlung ist, denn dabei geht es um Zeremonialbögen, die im wesentlichen zur Schau gestellt werden, vgl. http://www.zenko.org/bows.htm. Die magischen Qualitäten, die diesen Bögen zugeschrieben werden, haben mit den Anforderungen an die historische Waffe bzw. das Sportgerät yumi überhaupt nichts zu tun.

Für uns kommen diese Anforderungen eben aus der spezifischen Schießtechnik, vgl z.B. die Demonstration http://www.turnerbund-kyudo.de/kyudoinfo.php ganz unten links.

Den Bögen von Yokoyama wird nachgesagt, daß sie einen gut ausgebildeten reflexen -Bereich mit zurückgenommener rechter Kante haben, was der tsunomi no hataraki im Wortsinne entgegenkommt. Aber das spielt überhaupt nur eine Rolle, wenn tsunomi no hataraki wenigstens ansatzweise gemacht wird, und ist nicht gerade ein Anfängerproblem.
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Re: Wie fest hält man den Bogen?

Beitrag von himself » 28.03.2010, 19:22

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Re: Wie fest hält man den Bogen?

Beitrag von the_Toaster (✝) » 28.03.2010, 20:31

Ok... Dann gebe ich jetzt auch mal meinen Senf dazu.

Ich wollte halt warten, bis Kyujin Sensei (  ;) ) seinen Senf dazu gegeben hat.

Und er scheint meine Vermutung zu bestätigen.

Die Bögen müssen für die verschiedenen Techniken verschieden sein.

Es gab bis vor kurzem auf der Webseite von Sambu Kyuguten ( https://www.sambu-kyugu.com/ ) sehr viele Abbildungen von Yumis der verschiedenen Hersteller, bei denen Die Yumis in verschiedenen Perspektiven und in recht hoher Auflösung gezeigt wurden.
Da war sichtbar, dass die Bögen alle sehr unterschiedlich sind. Leider scheinen die Bilder nicht mehr verfügbar zu sein. Wer sie haben möchte bitte PM an mich mit E-Mail Adresse. Dem kann ich sie schicken, ich habe viele davon gesichert.
Da gibt es Bögen, die im Griff so gut wie gar keine Verdrehung haben und solche mit sehr starker.
Dann gibt es Bögen mit schwachem Reflex im Griffbereich und solche mit starkem.
Dann solche mit schwachem Sehnenversatz und solche mit starkem.

Meine Vermutung ist nun die, dass ein Yumi für die Shomen Technik, bei der sich der Bogen mehr oder weniger von selbst um die Achse dreht, starken Reflex, Sehnenversatz und Griffverdrehung haben muss, um so eine unsymmetrischen Kraftverlauf beim Schuss zu provozieren, was die Drehung unterstützt. Dafür ist der Bogen dann aber nicht fähig ein durch die Hand aufgebautes Drehmoment dauerhaft standzuhalten.
Ein Heki Bogen, den man aktiv verdreht, sollte im Griff stabiler gebaut sein, damit er dem Drehmoment der Hand standhalten kann, KANN dann, muss aber nicht, schwächer ausgeprägten Reflex, Sehnenversatz und Griffverdrehung haben.

Ein Carbonbogen hat dann für einen Anfänger natürlich Vorteile, weil Carbon an sich schon stabiler ist UND ein Carbonyumi keinen so hohen Reflex haben muss um eine ähnliche Leistung wie ein Bambusyumi zu haben.
Das ist übrigens der Grund, warum ich meine Bambusreflexbögen mit immer stärkerem Reflex baue.
Bambus ist zwar hoch belastbar, aber auf Druck nachgiebig. Das muss man mit Reflex ausgleichen.

Diese Fragen sind in diesem Thread:

http://www.fletchers-corner.de/index.php?topic=12451.0

auch schon teilweise beantwortet worden.
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Re: Wie fest hält man den Bogen?

Beitrag von Kyujin » 28.03.2010, 20:41

Ich denke du sprichst zwei unterschiedliche Fragestellungen an:

1. Welcher Bogen ist für welche Schießtechnik geeignet?

Da ich nie andere Schießtechniken studiert habe, interessieren mich ohnehin nur Bögen für Heki Tō Ryū. Und da ich bisher auch nur eine Handvoll verschiedener Bambusbögen geschossen habe und meine eigene Technik allenfalls "vorläufig" ist, bin ich nicht gerade Experte auf dem Gebiet. Also halte ich da "einfach mal die Fresse". Yokoyama Reimei habe ich von Erfahreneren empfohlen bekommen.

Letztlich kommt es auf den einzelnen Bogen an. Da hilft es, beim Einkauf Hilfe zu haben.

2. Welche Schießfehler können Bögen zerstören.

Ganz allgemein bekommt es keinem Bogen, wenn nach dem Abschuß zuviel Energie im System bleibt. Das bedingt z.B. eine Untergrenze beim Pfeilgewicht - wobei die mir bekannten Angaben da von der historischen Idealvorstellung rokubu-rokumon bzw shichibu-shichimon der Heki Ryū, also 1:1000 bis zu "1:1000 plus 11 gramm" (Sambu Kyugu) reichen.

Für uns ist aber auch wichtig, mit Hilfe der Technik die Kontaktdauer zwischen Pfeil und Sehne zu verlängern, was eben auch die Energieübertragung verbessert (man kann das messen, aber auch "einfach" am Sehnenklang hören). Und dazu muß man im Sinne der Tō Ryū eben schnell und fest drehen - egal was Shibata dazu meint.

Generell kenne ich das falsche, zu frühe Verwinden des Bogens auch nicht als Ursache für Brüche, sondern für den Verlust von iriki.

Ich würde mir weniger Gedanken über Aussagen machen, die von anderen Lehrern kommen, weniger spekulieren und lieber Prof. Mori fragen.
Zuletzt geändert von Kyujin am 28.03.2010, 20:47, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wie fest hält man den Bogen?

Beitrag von the_Toaster (✝) » 28.03.2010, 21:18

Ich finde es ja immer wieder toll mit fremdsprachlichen Begriffen um sich zu werfen, ohne sie zu erklären.
Bitte lieber Kyujin Sensei übersetze doch die von Dir genannten japanischen Begriffe.
Das macht das Verstehen Deiner Posts doch - etwas - einfacher.
Danke.

1:1000 von was?

Wer ist Prof. Mori?
Wie kann man ihn erreichen?

Wie produziert man zu lange zu viel Drehmoment im Bogen?
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Re: Wie fest hält man den Bogen?

Beitrag von benzi » 28.03.2010, 21:34

spannend für mich an dieser Diskussion ist, dass es verschiedene Wege zu geben scheint, also nicht nur EINEN richtigen........ wenn das für diese Detailfrage zutrifft, dann vielleicht auch für andere Details........

lG benzi
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Re: Wie fest hält man den Bogen?

Beitrag von Kyujin » 28.03.2010, 21:44

Mein Beitrag war eine Antwort an himself, ich hätte das deutlich machen sollen, da du in der Zwischenzeit geschrieben hattest.

1:1000 ist nach der genannten Idealvorstellung unserer Tradition das angestrebte Verhältnis von Pfeilmasse in Gramm zu Bogenstärke in Gramm (klar, physikalisch ungenau) für den weit Fortgeschrittenen. Die japanischen Begriffe beschreiben zwei solche Kombinationen in traditionellen japanischen Gewichtseinheiten.

Prof. Mori unterrichtet als Nachfolger von Prof. Inagaki kyūdō an der Tsukuba Universität und ist der deutsche Bundestrainer. Er beantwortet ihm Rahmen seiner zeitlichen Möglichkeiten Fragen bei www.kyudofaq.com, wo himself auch schon gepostet hat.

Die Balance zwischen Drücken und Drehen der Bogenhand ist ein subtiles technisches Problem, man darf nicht zu früh im Auszug mit den Verwindungskräften anfangen, muß sie aber bis in den Abschuß (und durch ihn hindurch) steigern.
Zuletzt geändert von Kyujin am 28.03.2010, 21:51, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wie fest hält man den Bogen?

Beitrag von the_Toaster (✝) » 28.03.2010, 22:02

Danke für Deine Erläuterungen

@Benzi:

Das ist das Spannende am japanischen Bogenschießen.
Beim europäischen Bogenschießen hält man den Bogen fest, zieht und lässt los. Da sind die Variationen wesentlich weniger ausgeprägt.

@Yabusame:

Deine Bemerkungen sind wie immer höchst erheiternd...  ;)
Ob sich die pseudo Esoteriker meine Stiefel anziehen werden, die mit größe 48 bis 50 je nach Schnitt recht groß sind, möchte ich allerdings bezweifeln.
Und wenn doch habe ich einen Haufen Jünger eines neuen Kyudo Kultes an der Backe... Neee danke...  ;)

zitat yabusame gelöscht edit by hunbow
Zuletzt geändert von Hunbow am 29.03.2010, 17:16, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wie fest hält man den Bogen?

Beitrag von Kyujin » 28.03.2010, 22:09

Lösche es.

Ich habe Yabusame nun schon mehrfach deutlich gemacht, daß er mit seinen generalisierenden anonymen Verunglimpfungen hier keine Plattform bekommt. "Erheiternd" ist das vielleicht für Außenstehende.
Zuletzt geändert von Kyujin am 28.03.2010, 22:11, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wie fest hält man den Bogen?

Beitrag von himself » 28.03.2010, 22:40

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Re: Wie fest hält man den Bogen?

Beitrag von Yabusame » 29.03.2010, 16:34

@himself,

auf der Seite http://www.shuitsukankyudojo.de/ findest Du unter Heki-Technik eine Video-Sequenz, in der Herr Inagaki  das Zudrücken der Bogenhand im Abschuss sehr schön darstellt (kann sein, dass ich darauf schon mal verwiesen habe).
Dieses Zudrücken wird von wirklichen Heki-Schützen (solche, die erfahren haben, was es bewirkt)  entsprechend betont.  Ich selbst habe lange gebraucht dies zu verwirklichen und bin aus dieser Erfahrung heraus geneigt zu sagen, dass ohne Kampf um dieses Zudrücken im Abschuss generell kein Heki- Kyudo vorliegt. Sehr generell sogar und ich bemühe mich generell Herrn Inagaki in seinen noch generelleren Ansichten zu folgen. 
 
Eine Verwindung des Bogens bis zum Abschuss gehört ebenfalls zur Heki-Technik, ohne diese Verwindung ist es nicht möglich einen geraden Pfeilflug zu erreichen (siehe auch hier: http://www.kyudo-sum.de/heki-technik/bo ... lflug.html) und hat natürlich auch positive Auswirkungen auf die Durchschlagskraft.

Bogenschäden infolge einer Bogenverwindung sind für mich dann denkbar, wenn die Drehung im Abschuss nicht führend weiterbetrieben wird. Ob die Bogenbeanspruchung ohne jegliches Drehen noch größer ist, weiß ich nicht, hört sich aber schlimmer an.
Ich kann mir vorstellen, dass Schützen, die eine starke Verwindung erreichen können aber noch nicht schnell genug drehen – was paradoxerweise nur mit dem konsequenten Zudrücken der Bogenhand möglich ist – den Bogen noch mehr stressen, weil außer den normalen Bogenschwingungen noch zusätzliche Torsionsschwingungen ungedämpft auftreten (wird führend weitergedreht, erfolgt ein Abfangen der Torsionskräfte). 

Grüße
Yabusame
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