Frage zum mittelalterlichen Bogenbau...!

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Sir Weazel
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Frage zum mittelalterlichen Bogenbau...!

Beitrag von Sir Weazel » 02.10.2011, 14:41

Ich habe da mal ne Frage...! ;D

Wurde im MA ausschließlich trockenes Holz bearbeitet zum Bogenbau, oder zu Kriegszeiten auch mal frisches was nach dem Bau erst trocknete. Denke mal die hatten dann nicht die Zeit und reichlich Material um die Mengen zu produzieren die im Kriegsfall benötigt wurden..


Und nächste Frage ist das nass überhaupt machbar...?? Erhöt sich wenn gegebenenfalls das Zuggewicht nach dem trocknen??
??? ??? ???

Ich weiß blöde Anfänger-Frage, aber interessieren würde es mich mal... ;)
suum cuique!....... Ego sum qui sum ... a debet ..

Sateless
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Re: Frage zum mittelalterlichen Bogenbau...!

Beitrag von Sateless » 02.10.2011, 14:52

Nach der Lektüre dieses Forums würde ich folgendermaßen Antworten

Wurde im MA ausschließlich trockenes Holz bearbeitet zum Bogenbau, oder zu Kriegszeiten auch mal frisches was nach dem Bau erst trocknete.
Durchaus denkbar - je nach Vorräten und Kriegsverlauf. Lieber nen Bogen aus Grünholz, als garkeinen. Beweisbar ist das wahrscheinlich nicht.

Und nächste Frage ist das nass überhaupt machbar...?? Erhöt sich wenn gegebenenfalls das Zuggewicht nach dem trocknen??
Tscho hat grade einen Bogen aus recht nassem Eibenholz gebaut. Der hält. Langzeittest kommt noch, da der ja grade frisch ist, aber das Zuggewicht wird sich sicher erhöhen. Der hat wohl mehr Set als er aus trockenem Holz hätte, aber besser als nix ist das im Kriegsfall allemal.

Ich bin weder Histroker, noch Mittelalterlicher Bogenbauer, also kann man mich gern korrigieren, aber ich hoffe damit weitergeholfen zu haben!
Ich schreibe ohne Autokorrektur lesenswerter. Du etwa auch?
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Re: Frage zum mittelalterlichen Bogenbau...!

Beitrag von Squid (✝) » 02.10.2011, 15:24

Beides geht.

Grundfalsch ist aber die Annahme, dass "die nicht Zeit noch Material hatten, um im Kriegsfall zu produzieren".
Im Gegenteil: Die haben eine umfangreiche Vorratshaltung an Bögen und Pfeilen betrieben, so wie auch an anderen Waffen und Rüstungen, eben um im Kriegsfall nicht "oben ohne" dazustehen. Und wenn man selber in die Offensive ging, hat man ebenfalls auf Vorrat produziert.
So wurden mehrere hundert Jahre lang ausgewählte Eiben aus Italien und Spanien nach England importiert um daraus Bögen herzustellen.
Es ist mir egal ob schon mal jemand sowas gebaut hat.
Ich will ja nicht unken, aber in der überwiegenden Zahl der Fälle geht das schief.

Esteban
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Re: Frage zum mittelalterlichen Bogenbau...!

Beitrag von Esteban » 02.10.2011, 15:34

Und Importzölle in England waren in Eiben Staves zu entrichten. Für den Tower of London gibt es ja Lagerlisten an Staves und fertigen Bögen.

Das klappt aber nur, wenn die Logistik an die Front intakt ist. Ich denke da an Crecy. Kurz davor sind die Engländer bei der Furt von Blanchetaque fast von den Franzosen eingeholt worden und mußten sich dann mitten im Feindesland dem Gegner stellen. Nachschub ? Wohl eher Fehlanzeige. Und an der Furt haben die Engländer einen großen Teil des Trosses verloren.

Was war denn in solchen Fällen üblich ? Wurde dann "schnell mal was gebaut" ?

Gruß

Stefan

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Re: Frage zum mittelalterlichen Bogenbau...!

Beitrag von Wilfrid (✝) » 02.10.2011, 16:27

Also, schnell mal was gebaut , is nich ;-), und wie Du sicher weißt, kann auch nicht jeder Bogenbauen.

Und auch wenn die Engländer ihren Troß verloren haben, seinen Bogen und nen Satz Pfeile haben die Bogenschützen wohl am Mann gehabt.

Aber, man kann Bögen aus grünem Holz bauen, ja , nen Flitzebogen kann man eigentlich nur aus grünem oder annähernd grünem Holz bauen. Ausser man baut extra breit und entsprechend dünn. Und der Set ist "gigantisch";-). Man kriegt ihn aber nach dem Tillern wieder raus und das Zuggewicht nimmt nicht gewaltig zu.

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Re: Frage zum mittelalterlichen Bogenbau...!

Beitrag von Squid (✝) » 02.10.2011, 17:51

Schnell mal gebaut natürlich nicht.
Aber man sollte sich die Nachschubsituation realistisch vorstellen.
Nachschub bedeutet zunächst mal Tross, also Futter, Zelte, Handwerker, Nutten, Frauen (mit Bindung), Kriegskrüppel und zweifelhaftes Pack auf Plündertour.

Nachschub bedeutet aber nicht, dass Kämpfer erst ausgestattet werden mussten: Natürlich hatte jeder Frontkämpfer seine Waffe und seine Rüstung dabei. Auch Bogenschützen waren ja nicht blöd und hatten neben Freund ELB noch ne Kampfaxt oder ähnliches dabei. Und die Schützen wussten auch, dass Pfeile durchaus wichtig waren - es gibt diverse Berichte auch von sogenannten abgeschnittenen Einheiten, dass das erste, was auf die Gäule verpackt wurde, bevor man den Tross zurück ließ, Pfeile waren... sackweise...
Es ist mir egal ob schon mal jemand sowas gebaut hat.
Ich will ja nicht unken, aber in der überwiegenden Zahl der Fälle geht das schief.

Esteban
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Re: Frage zum mittelalterlichen Bogenbau...!

Beitrag von Esteban » 02.10.2011, 19:54

Squid hat geschrieben:Schnell mal gebaut natürlich nicht.
....., Handwerker, ....

Nachschub bedeutet aber nicht, dass Kämpfer erst ausgestattet werden mussten: Natürlich hatte jeder Frontkämpfer seine Waffe und seine Rüstung dabei. Auch Bogenschützen waren ja nicht blöd und hatten neben Freund ELB noch ne Kampfaxt oder ähnliches dabei. Und die Schützen wussten auch, dass Pfeile durchaus wichtig waren - es gibt diverse Berichte auch von sogenannten abgeschnittenen Einheiten, dass das erste, was auf die Gäule verpackt wurde, bevor man den Tross zurück ließ, Pfeile waren... sackweise...


Jeder brachte seine Ausrüstung mit, bzw. wurde von seinem Dienstherrren ausgerüstet. Ist mir schon klar, auch das man schnell mal keinen guten Bogen baut.

In dem Fall sind die Engländer kämpfend über die Furt. Der Troß wurde nicht zurückgelassen, sondern die Franzosen waren einfach zu schnell. Klar wurden Pfeil/Bogenreserven bevorzugt behandelt. Auch hatten die Bogenschützen auch noch andere Waffen. Jede Schlachte endete im Nahkampf.

Das war aber nicht die Ausgangsfrage. Kann aus dem Nichts, ein brauchbarer Bogen entstehen ? Was nach der Schlacht damit passiert ist egal. Dann kommt vielleicht der Troß oder eine Nachschubkolonne aus dem Tower. Handwerker waren wie Nutten und sonstiges Weibsvolk immer dabei. Dort werden neben Zimmerleuten und Schmieden auch welche dabei gewesen sein die wenigstens zu Not einen Bogen bauen konnten.

Gruß

Stefan

tomtux
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Re: Frage zum mittelalterlichen Bogenbau...!

Beitrag von tomtux » 02.10.2011, 21:35

Esteban hat geschrieben: Kann aus dem Nichts, ein brauchbarer Bogen entstehen ?


nein

und schon gar kein brauchbarer 100#+ bogen aus nasser eibe.
die waren mit sicherheit auch nicht blöd genug, das zu versuchen.

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Ravenheart
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Re: Frage zum mittelalterlichen Bogenbau...!

Beitrag von Ravenheart » 02.10.2011, 22:10

Hmmmmm....

Fraglich wäre, wie lange ein Stave damals wohl vom Schlagen / Spalten bis zum Bogenschützen in GB gebraucht hat?

Wenn ich mal phantasiere:

In Spanien geschlagen und vor Ort gespalten.
Bis zum Abtransport: 2 Wochen (müssen sich ja erst mal genug angesammelt haben!)
Transport zum Hafen: 2 Wochen mit dem Pferdekarren.
Lagerung bis zum nächsten Schiffs-Eintreffen: 4 Wochen.
Verladen und bis zur Abreise: 1 Woche. Alles unter spanischer Sonne.

Zw.-Summe: 9 Wochen in warm-trockenem Klima.

Überfahrt bis GB: 1 Woche
Verladen und Abreise in's Landesinnere: 1 Woche
Reisedauer bis zum Bogenbauer: 2 Wochen
Einlagerung dort bis zum Verbrauch: 4 Wochen (schließlich hat der einen Vorrat!)

So das sind noch mal 8 Wochen,
zusammen 17 Wochen, davon 9 warm-trocken.

Da ist ein Stave schon NICHT mehr GANZ frisch....
Aber es geht noch weiter:

Lagerung der fertigen Bogen bis zum Abtransport: 4 Wochen (wieder müssen ja genug zusammen kommen!)
Transport zum Heeres- oder Kriegsort: 2 Wochen
Lagerung im Waffenlager bis zur Einsatz-Ausgabe: 4 Wochen (auch da gibt es Vorräte!)

Der Bogen hat also 27 Wo oder 1/2 Jahr getrocknet, 10 Wo davon im fertigen Zustand - also mit minimalem Querschnitt.
Die könnten somit durchaus schießfähig auf's Feld gekommen sein....

Nur mal so als Gedanken-Experiment - ohne Anspruch auf historische Genauigkeit...

Rabe

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Re: Frage zum mittelalterlichen Bogenbau...!

Beitrag von Squid (✝) » 03.10.2011, 09:31

Rabe: Ja sicher, so könnte n Schuh draus werden.
Aber die Frage war ja "aus dem Nichts", also aus vor Ort vorhandener französischer Eibe... wobein bestimmt kein englischer Schütze einen Bogen aus franz. (ihhh!) Eibe angefasst hätte... ;D ;D
Es ist mir egal ob schon mal jemand sowas gebaut hat.
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Re: Frage zum mittelalterlichen Bogenbau...!

Beitrag von Esteban » 03.10.2011, 09:51

Squid hat geschrieben:.... Eibe...


Nein, das war keine Voraussetzung. Es ging um einen Bogen aus dem Nichts, der in einer Schlacht brauchbar war. Aus welchem Material der zusammenimprovisiert war ist zweitrangig.

tomtux: Klar waren die nicht blöd. Aber sie waren so intelligent mit dem optimal umzusetzenden Equipment zu kämpfen. Und ein guter Handwerker ist ein Stück weit McGuyver. Und wend dei eine Möglichkeit sahen Irgendwas Effektives zum Pfeile schleudern zu improvisieren, haben die das sicher gemacht.

Ich bin kein Bogenbauer, aber selbst mir ist klar, das mit frischem Holz nichts Dauerhaftes und wirklich Leistungsfähiges gebaut werden kann.

Rabes Ansatz ist ein Möglicher, setzt aber einen funktionierenden Nachschub voraus. Dann kann man ja gleich das normale Lager im Tower mit fertigen Bögen nutzen. Sofern das ausreichend Bögen enthält.


Gruß

Grizzly

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Re: Frage zum mittelalterlichen Bogenbau...!

Beitrag von Blacksmith77K » 03.10.2011, 10:32

Gemessen daran, dass viele der Langbögen geflippte Enden hatten, ist von auzugehen, dass die Staves mit Dampf korrigiert und geflippt wurden.
Basierend auf dieser Annahme ist es nicht abwägig, dass die 80x2x2 Zoll großen Staves 'trockengedampft' wurden. In etwa das gleiche Prinzip, wie mit einem Dampfbügeleisen eine feuchte Hose trocken zu bügeln. Die Hausmänner und Frauen unter uns kennen das. ;)


my2cent
...du biegst nicht den Bogen, der Bogen biegt Dich!

76" Yew Warbow (ELB) 135#@32"
74" Yew Warbow (ELB) 105#@32"



...and several yew warbows...

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Re: Frage zum mittelalterlichen Bogenbau...!

Beitrag von eddytwobows » 03.10.2011, 10:41

@Esteban, Blacksmith...

Dann wäre wohl Eberesche eine Wahl gewesen...

Dirk hat da mal vor etwa 1 1/2 oder 2 Jahren so etwas gebaut, "Silo", irgendwas um die 80-100#, wenn ich mich recht errinnere...
Allerdings aus einem getrockneten Stamm... (?)

Aber ich schätze mal, die Leute haben seinerzeit wohl schon entsprechende Erfahrung gehabt und um Mittel und Wege gewußt, um im Notfall einen grob zugeschlagenen Bogenrohling innerhalb kürzester Zeit trocken und bearbeitungsfähig, bzw. schießfertig zu kriegen...

Ist aber reine Spekulation... :)

LG
etb

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Re: Frage zum mittelalterlichen Bogenbau...!

Beitrag von impe » 03.10.2011, 10:57

Also ich würde denken, das die Leute bei 'nem Feldzug eher mal auf den einen oder anderen Bogen verzichtet hätten, als irgendwas vor Ort zu schnitzen. Nen Flitzebogen für die Jagd schon eher mal, Versorgung ist ja auch wichtig.
In den mittelalterlichen Burgen und Dörfen gab es sicher einen passenden Vorat, die Wintern waren ja lang und langweilig. Und wenn der Idiot auf der Mauer seinen schönen Bogen geschrottet hat mußte er halt Steine auf die Angreifer werfen.
Ich kann mir (als Bogenbau-Laie) nicht vorstellen das man einen 80#+ Bogen auf die Schnelle herstellen kann, und alles andere würde nicht in die Taktik passen.
Impe
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Es gibt zwei Dinge die sind Unendlich: Das Universum und die Dummheit der Menschen....
.. und beim Universum bin ich mir noch nicht sicher. A. Einstein

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Re: Frage zum mittelalterlichen Bogenbau...!

Beitrag von Squid (✝) » 03.10.2011, 11:46

Ich bleib dabei: Die Frage ist Makulatur.
Wenn man Krieg machen will, überlegt man sich vorher, was man braucht.
Jeder Soldat hat das am Mann, was er braucht um Schaden anzurichten.
Die haben sich im 100-jährigen Krieg genau so wenig einen (Kampf!-)Bogen aus dem örtlichen Gemüse geschnitten, wie wir heute eine Art Schießeisen aus nem Rohr und etwas Domestos mit Backpulver und nem Schuss Balsamico herstellen, wenn der Iwan kommt... OK, das mit dem Iwan ist heute nicht mehr politisch korrekt, aber ich bin halt so aufgewachsen... ;)

Aber die waren vor 800 Jahren doch auch nicht blöd. Kein Soldat kämpft mit miesem Equipment. Und das wäre nun mal ein im Feld hergestellter nasser Bogen aus beliebigen Holz.
Gib nem heutigen Soldaten eine Muskete: Der guckt dich debil an, und macht dann einen schnellen Fuß HINTER die eigenen Linien...
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