Zuggewicht

Sättel, Zaumzeug, Reiterbogen, Kompositbogenbau, usw.
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Abnobae
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Zuggewicht

Beitrag von Abnobae » 05.10.2013, 22:50

Hallo,
ich habe mal eine Frage.
Ich würde gerne mal als unerfahrener Reiterbogenschütze erfahren, welche Vor-und Nachteile,
verschieden hohe Zuggewichte haben. Ich meine nicht, dass man als Anfänger niedriger starten soll, sondern ob für berittenes Bogenschießen oder 3D Parcours andere Anforderungen gelten. Vielen Dank für eure Antworten.
LG Peter

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Heidjer
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Re: Zuggewicht

Beitrag von Heidjer » 06.10.2013, 03:07

Zwei einfache unschuldige Fragen, zur Antwort könnte man eine Magisterarbeit schreiben, ich versuche es mal kürzer zu formulieren. ;)

Zur ersten Frage, ein ausgezogener Bogen ist ein Federsystem das potentielle Energie gespeichert hat, niedriges Zuggewicht wenig Energie, hohes Zuggewicht viel Energie. Löst man die Sehne wird die Energie freigesetzt, hat man dazu noch einen Pfeil eingenockt, wird ein Teil der Energie auf ihn übertragen, wenn nicht verbleibt die ganze Energie im Bogen und kann ihn schwer beschädigen. Um nun möglichst viel Energie aus dem System auf den Pfeil zu übertragen muß der Pfeil ein zum Zuggewicht passendes Gewicht haben, üblicherweise so um 10gpp (10 grain (0,65 Gramm) pro Pfund Zugkraft). Ist der Pfeil leichter wird er schneller, ist er schwerer wird er langsamer. Beides hat wiederum Vor- und Nachteile, ein schneller Pfeil fliegt in einer flacheren Parabel, das Zielen wird einfacher, der Nachteil ist, der Bogen wird stärker belastet weil mehr Energie in ihm verbleibt und der leichte Pfeil läßt sich leichter ablenken. Beim schwereren Pfeil kehren sich diese Effekte um. Also will man einen Pfeil mit ordentlichen Gewicht möglichst flach abschiessen, bleibt es nur übrig das Zuggewicht des Bogens zu erhöhen. Ein weiterer Punkt ist, das man Pfeile nicht unendlich leicht bauen kann. Für ein Kind gibt es kaum etwas frustierenderes als wenn der (super leichte) Pfeil das Schwein trifft und er einfach abprallt weil die Energie nicht ausreicht um die Spitze eindringen zu lassen.

Zur zweiten Frage, ja es gibt unterschiedliche Anforderungen an den Bogen. Beim berittenen Bogenschiessen verwendet man allgemein Bögen mit niedrigeren Zuggewicht. Man muß ihn schnell ohne groß nachzudenken bedienen können und dabei das Pferd unter Kontrolle halten, die Ziele sind dabei relativ groß oder stehen nah, dafür werden mehrere Pfeile in sehr kurzer Zeit geschossen.
Beim 3D-Schiessen stehen die Ziele weiter, die Schüsse werden kniffliger, es hängen Zweige im Flugweg des Pfeiles, alles Gründe um mit mehr Zuggewicht schwerere Pfeile zu schiessen. Dazu hat man dann auch mehr Zeit um sich auf den Schuß zu konzentrieren, das Pferd und die Bewegung fällt weg.


Gruß Dirk
Ein Pfeil, den Schaft gemacht aus der Pflanzen hölzern Teil, versehen mit eines Vogels Federn und einer Spitze, aus der Erde Mineral, wird von der Natur gern zurückgenommen.

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Eberesche
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Re: Zuggewicht

Beitrag von Eberesche » 06.10.2013, 08:23

Hallo, Heidjer hat's eigentlich schön erklärt. Kleine Ergänzung: Beim 3D sieht man oft Bögen mit 40-50#, auf dem Pferd eher 30-35(? - dafür teils mit weiterem Auszug). Manche günstige Reiterbögen bringen bei geringem Zuggewicht so wenig Leistung, dass Entfernungen bis 50m beim 3D schwierig werden. Mit meinem 25# Kaya Windfighter werd ich es mal aus Spaß mit abartig leichten Pfeilen versuchen. Mit mehr Wumms (40#) und schwereren Pfeilen (430gn) stören einen Wind und Grünzeug aber weniger.
Gruß Anna
Der Klügere sollte nur nachgeben, wenn er es verantworten kann. (Gerlinde Nyncke)

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Abnobae
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Re: Zuggewicht

Beitrag von Abnobae » 06.10.2013, 09:03

Hallo,
danke für die beiden Antworten
Heidjer hat das für mich sehr verständlich ausgedrückt, so dass das Zuggewicht anders als "ich bin stärker , ich kann mehr" betrachtet wird. Das war nämlich ein wenig mein Eindruck beim querlesen von Infos im Web.
Interessant sind für mich auch die Erfahrungen von erfahrenen berittenen oder 3D Schützen, wie gerade eben Eberesche.
Ich bin vor kurzem von einem 30 lbs windfighter auf einen Vegh Osmanen mit 36 lbs umgestiegen und mir stellte sich die Frage,
ob man mit 36 lbs auf Dauer "zufrieden" (mir fällt keine bessere Formulierung ein), da mein subjektiver Eindruck ist, dass irgendwie "alle / viele" Bogenschützen mehr auf den Finger haben, sobald sie länger schießen.
Liebe Grüße
Peter

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Wilfrid (✝)
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Re: Zuggewicht

Beitrag von Wilfrid (✝) » 06.10.2013, 09:11

naja, die "Angeber" schon, aber die allermeisten liegen so bei dem Zuggewicht, so die stille Mehrheit.
Ich schätze mal ganz grob, 3/4 aller Bogenschützen in Deutschland schießen unter 45#, die meisten deutlich drunter

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Re: Zuggewicht

Beitrag von Heidjer » 06.10.2013, 09:30

Ja der Eindruck entsteht häufig. Beim steigern des Zuggewichts muß man deshalb beachten das nicht die pure Kraft zählt, sondern auch die Kontrolle über den Bogen. Je stärker der Bogen wird, desto wichtiger wird ein sauberes Release und man sollte auch beachten das man den Bogen nicht nur einmal schiessen muß, sondern bis zu hundert mal. ;)


Gruß Dirk
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Re: Zuggewicht

Beitrag von Eberesche » 06.10.2013, 11:31

Mit einem 36# Bogen den man beherrscht wird man mehr treffen als mit 55# mit Ach und Krach. Aber je schwächer der Bogen, desto wichtiger dass er effizient arbeitet - eine Rattangurke vom Mittelaltermarkt wird trotz mehr # denselben Pfeil langsamer bewegen als Dein Vegh oder Kaya - und desto mehr Mühe sollte man sich mit gut passenden Pfeilen geben
um nicht langsamer zu sein als nötig. Das heißt ggf. eher Carbon als Holz. Aber auch mit 22gpp kann man treffen :) (nicht fürs Turnier empfohlen) Gruß Anna
Der Klügere sollte nur nachgeben, wenn er es verantworten kann. (Gerlinde Nyncke)

Ralph
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Re: Zuggewicht

Beitrag von Ralph » 06.10.2013, 17:10

Abnobae hat geschrieben:Hallo,
ich habe mal eine Frage.
Ich würde gerne mal als unerfahrener Reiterbogenschütze erfahren, welche Vor-und Nachteile,
verschieden hohe Zuggewichte haben. Ich meine nicht, dass man als Anfänger niedriger starten soll, sondern ob für berittenes Bogenschießen oder 3D Parcours andere Anforderungen gelten. Vielen Dank für eure Antworten.
LG Peter
Abnobae hat geschrieben:Hallo,
danke für die beiden Antworten
Heidjer hat das für mich sehr verständlich ausgedrückt, so dass das Zuggewicht anders als "ich bin stärker , ich kann mehr" betrachtet wird. Das war nämlich ein wenig mein Eindruck beim querlesen von Infos im Web.
Interessant sind für mich auch die Erfahrungen von erfahrenen berittenen oder 3D Schützen, wie gerade eben Eberesche.
Ich bin vor kurzem von einem 30 lbs windfighter auf einen Vegh Osmanen mit 36 lbs umgestiegen und mir stellte sich die Frage,
ob man mit 36 lbs auf Dauer "zufrieden" (mir fällt keine bessere Formulierung ein), da mein subjektiver Eindruck ist, dass irgendwie "alle / viele" Bogenschützen mehr auf den Finger haben, sobald sie länger schießen.
Liebe Grüße
Peter
Wilfrid hat geschrieben:naja, die "Angeber" schon, aber die allermeisten liegen so bei dem Zuggewicht, so die stille Mehrheit.
Ich schätze mal ganz grob, 3/4 aller Bogenschützen in Deutschland schießen unter 45#, die meisten deutlich drunter


Ich will nicht alles Vorangesagte wiederholen, zumal die wenigsten, die sich geäußert haben, wirklich direkte Erfahrungen mit dem Schießen vom Pferd (!!! nicht 3 D !!!) haben werden. Ich ebensowenig. Die Angaben stammen größtenteils aus Quellen.

Die Essenz ist, dass vom Pferd, unter anderem weil die Stabilisierungsfunktion aus den Beinen sowie der Hüfte fehlt, weniger geschossen wird.

Mit bloßer Angeberei etc. hat die Wahl des Zuggewichtes realiter wenig zu tun oder darf nicht pauschal als solche abgetan werden. Nach einer gewissen Trainingszeit tritt eine Gewöhnung ein - Erhöhung des Homöosthase-Niveaus - die eine Reizsetzung durch Erhöhung des Zuggewichtes möglich macht.

Um die Zuggewichte - und auch die Frage, wann hier was Angeberei oder unrealistisch ist - mal auf eine historisch realistische Basis zu stellen beziehe ich mich hier einmal auf den chineischen Raum (da ich mir einbilde dahingehend etwas Einblick zu haben...):

Geschossen wurde vom Pferd in der Ming-Dynastie mit - im Vergleich zu den vorangehenden und nachfolgenden Dynastien - leichten Bögen von ab 23 Kilogramm (!) Zuggewicht.

In der nachfolgenden Qing-Dynastie lagen die "leichten Zuggewichte" für das Schießen vom Pferd um die 60 Kilogramm (!) aufwärts.

Das hatte unter anderem den Hintergrund, dass mit den Pfeilen Rüstungen, die z. B. in der Qing-Dynastie aus mehreren Lagen wattierten Steppstoffes, bedeckt von Leder- oder später Metall-Brigantinierungen, durchschlagen werden mussten.

Ergo:
Die relative Höhe des Zuggewichtes ist beim Schießen vom Pferd immer niedriger als derer der Fußbogenschützen. Die absolute Höhe desselben ist heute in der einen, wie der anderen Sektion niedriger.

Ursachen dafür sind die fehlende Notwendigkeit solch hoher Zuggewichte für die heutigen Wettkämpfe in diesen Bereichen; entsprechend moderne Materialien um dahingehend leistungsfähige Bögen und Pfeile auch bei Anlage niedrigerer Zuggewichte herstellen zu können; fehlende Notwendigkeit, mit solchen Bögen im Hinblick auf etwaige, kriegerische Auseinandersetzungen trainieren zu müssen sowie infolge des Vorangesagten fehlendes Trainig der Schützen seit frühestem Alter im Hinblick auf solch hohe Zuggewichte.

Ralph

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Re: Zuggewicht

Beitrag von Blacksmith77K » 06.10.2013, 19:18

EDIT:

Kommentar gelöscht, wollte niemanden aufreiben.
Zuletzt geändert von Blacksmith77K am 06.10.2013, 19:49, insgesamt 2-mal geändert.
...du biegst nicht den Bogen, der Bogen biegt Dich!

76" Yew Warbow (ELB) 135#@32"
74" Yew Warbow (ELB) 105#@32"



...and several yew warbows...

Ralph
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Re: Zuggewicht

Beitrag von Ralph » 06.10.2013, 19:34

Blacksmith77K hat geschrieben:
Ralph hat geschrieben:
In der nachfolgenden Qing-Dynastie lagen die "leichten Zuggewichte" für das Schießen vom Pferd um die 60 Kilogramm (!) aufwärts.


Ralph



Das hatten wir schonmal und ich halte es nach wie vor für Stuss, einen 130# Bogen als 'leichtes' Zuggewicht vom Pferd zu schießen. Was bitte wären 'mittleres' und 'hohes' Zuggewicht?! ::)


Sicher hatten wir das schonmal, ebenso wie die Quellenangabe und die Angabe, dass zu diesen leichten Zuggewichten von 60-63 kg für das Schießen vom Pferd solche von bis hinein in die 80 kg für das Schießen für Fußschützen korrespondierten (vgl. u. a. Selby, S. 255, 282f., 352 f.).

I. ü. ging es hier ja auch nicht um die absoluten (resp. historischen) Werte an sich, sondern um die Relativen zwischen Fuß- und Reiterbogenschützen. Die historischen Werte wurden herangezogen, um die heutigen Relationen auch im Hinblick auf den historischen Kontext zu belegen.

Ob die historischen Zuggewichte "Stuss" waren, möchte ich bezweifeln: So gewannen die Chinesen Ende des 19. Jh. noch eine (die letzte) Schlacht mit ihren Bogenschützen gegen die Franzosen mit deren modernen Gewehren.
Es wird nicht etwas "Stuss", nur weil wir es uns nach heutigem Verständnis nicht mehr vorstellen oder nicht bewältigen können.

Oder eindringlicher:
Deine - handwerklich sicher guten - EL-Bögen, die Du hier im Forum mit schöner Regelmäßigkeit vorstellst, und die in ihren Zuggewichten wohl den historischen Vorbildern mit entsprechen mögen, sind nicht automatisch "Stuss", weil z. B. jemand wie ich diese nie ziehen könnte.

Aber ich merk schon, es scheint vergeudete Zeit zu sein, sich hier auszulassen.
Zuletzt geändert von Ralph am 06.10.2013, 19:36, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Zuggewicht

Beitrag von Wilfrid (✝) » 06.10.2013, 20:48

Nö, ne???
Es gibt Leute für die macht Bogenschießen Spaß, wenn sie immer ins selbe Loch treffen und andere, wenn sie "Dampf auf den Fingern" habenund ihr schwerer Pfeil den Büffel auf 50 m umwirft (jetzt mal übertrieben).

Dann gibts so unmögliche Werte aus der Literatur, wie Schießen über den Bosporus oder n Hasen im Lauf auf 800 m treffen, oder eben auch 80kg Bögen als Standard Bögen, sind so mal eben 176 #....
Hier ist die Rede von Otto Normalverbraucher, der 1-2x die Woche schießt nund auf 3D Turnieren etc nicht "abkacken" will. Und da sinde eben Zugstärken zwischen 28# und 45# vollkömmen hinreichend, man kann leicht passende Holzpfeile bauen und hat durchaus die Möglichkeit, mit Übung auch auf 50 m stetig das Kill vom Büffel zu treffen. Und beim Cloudschießen kann man auch mitschießen, weil die Pfeile ankommen. Höhere Zuggewichte können bei ungenügendem Training und falscher Haltung sehr leicht zu degenerativen Erscheinungen bei den Gelenken und Muskelansätzen führen. Arthrose in der Schulter, entzündete Bizepssehnenscheide und ähnliche Späßchen kommen nicht gut....

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Abnobae
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Re: Zuggewicht

Beitrag von Abnobae » 06.10.2013, 21:29

Interessant, was in so einem Thread mit einer (unschuldigen) Anfängerfrage entsteht.
Aber meine FRagen wurden beantwortet und ich lese aufmerksam mit, was sonst noch geschrieben wird.
Ich bin jedenfalls der Spaßfraktion zugehörig.
Die Diskussionen über Authentizität, Wissenschaftlichkeit und Praktikabilität habe ich in meinem Beruf als Musiker mit Schwerpunkt in der historisch informieren Aufführungspraxis dermaßen oft bis ans bittere Ende miterlebt, dass hier jetzt total entspannt mitlesen kann.
Vielen Dank für die Inputs.
Peter

Onslow Skelton
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Re: Zuggewicht

Beitrag von Onslow Skelton » 08.10.2013, 08:49

Abnobae hat geschrieben:Interessant, was in so einem Thread mit einer (unschuldigen) Anfängerfrage entsteht. ......


Willkommen im FC. :D

War doch dieses mal Harmlos. ;D


Gruß,
Frank
Ich bin nicht auf der Welt um zu sein,
wie andere mich gerne hätten!

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